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Karwoche

Karwoche

Titel: Karwoche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
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deutete auf das Foto.
    »Sind das eigentlich digitale Fotos?«
    »Schätze schon. Warum?«
    »Weil ich hier keinen Computer gesehen hab.«
    Sie gingen zurück in das andere Zimmer und suchten nach einem Computer. Vergeblich. Wallner stellte mit seinem Handy fest, dass es eine W-LAN-Verbindung gab. Den Router entdeckten sie im Flur unter dem Theaterspiegel. Der dazugehörige Computer aber blieb verschwunden.
    »Da war jemand vor uns da.«

Kapitel 6
    E s schneite ohne Unterlass an diesem Vormittag des vierundzwanzigsten Dezember. Katharina Millruth sah die Schneeflocken vor dem Fenster herabschweben, als ihre Augen nach hinten rollten. Dieter war vor einer Stunde beim Schneeschaufeln vom Garagendach gefallen und saß mit geschwollenem Knöchel im Haupthaus. Er würde sich nicht von der Stelle rühren. Der Gedanke gab Katharina Millruth einen Stich und erregte sie gleichzeitig. Wolfgang über ihr atmete schneller, sein Gesicht war angestrengt. Es ging mit großen Schritten aufs Ende zu. Sie musste sich beeilen. Sie kamen fast immer gleichzeitig. Erstaunlich nach über dreißig Jahren, fand Katharina.
    Wolfgang war dreiundsechzig. Die Falten hatten ihn älter gemacht, doch seine edlen Gesichtszüge hatten sich gehalten. Das eine oder andere Mal hatte sie daran gedacht, ihren Schwager gegen einen jüngeren Liebhaber auszutauschen. Aber es hätte nur ihre Eitelkeit befriedigt, sich zu beweisen, dass sie auch einen Fünfunddreißigjährigen haben konnte. Und so hatte sie die Dinge gelassen, wie sie waren. Im Grunde war sie eine treue Natur mit Sinn für Beständigkeit. Sie betrog Dieter seit dreißig Jahren mit seinem Bruder, und nie hatte sie mit Wolfgang geschlafen, wenn Dieter im Haus war. Heute war das erste Mal.
    Wolfgang presste die Augen zusammen, und die Adern an seinen Schläfen schwollen an. Katharina war unwohl bei dem, was sie gerade tat. Hatte sich ihr Respekt vor Dieter so sehr verflüchtigt? Wolfgang stieß seit einer halben Minute zu, ohne Luft zu holen, sein Gesicht war bedenklich dunkel geworden und glänzte vor Schweiß. Manchmal quälte sie die Vorstellung, dass er tot über ihr zusammenbrechen würde. Endlich ließ Wolfgang mit einem röhrenden Geräusch die letzte Luft hinausströmen, sank schwer atmend auf Katharina nieder und beklagte sich, dass sie nicht bei der Sache sei. Sie müsse an Weihnachten und die Kinder denken, sagte Katharina.
     
    Das Mädchen sah billig aus und fühlte sich nicht wohl in dem Salon mit all den Büchern. Der Pullover, die Jeans, die Schuhen – billig. Katharina störte sich an billigen Schuhen. Beim Rest konnte man ein Auge zudrücken, billige Schuhe waren unverzeihlich. Irgendein Vorstadtfriseur aus Laim oder Pasing hatte ihr Strähnchen in die blondierten Haare gefärbt. Sie versuchte zu lächeln und tat Katharina ein wenig leid. Was hatte Henry dazu bewogen, sie mitzubringen?
    »Das ist Jennifer. Sie arbeitet bei mir im Krankenhaus.« Er deutete auf Katharina. »Katharina, meine Mutter.«
    »Hallo, Jennifer. Willkommen in unserem Haus!« Katharina strahlte und nahm Jennifers Hand herzlich in die ihren.
    »Grüß Gott, Frau Millruth.« Jennifer lächelte eingeschüchtert.
    »Sag bitte Katharina. Wir duzen uns hier alle. Du bist eine Freundin von Henry, also gehörst du dazu.«
    Jennifer versuchte, sich erfreut zu geben. Aber sie spürte, dass keines von Katharinas Worten aufrichtig war.
    »Das ist Dieter, mein Vater. Er geht im Winter gern aufs Dach zum Schneeschaufeln. Heute hat er’s ein bisschen eilig gehabt runterzukommen. Sollen wir uns den Knöchel mal ansehen?«
    »Lass die Finger von meinem Bein. In diesem Haus heilt so was ohne Quacksalber.« Dieter lag auf einer Chaiselongue. Sein rechter Fuß war bandagiert.
    »Ja natürlich. Viel Spaß dabei.«
    »Wollt ihr nicht nach oben gehen und euch frisch machen?«, schlug Katharina vor.
    »Frisch machen? Die sind doch gerade reingekommen. Draußen hat’s zehn Grad minus.«
    »Dann packen sie halt ihre Sachen aus. Du bist heute ein bisschen nörgelig.«
    »Überhaupt nicht.« Dieter gab Henry ein Zeichen. »Geht nur und achtet nicht weiter auf mich. Wenn ich Morphium brauche, sag ich Bescheid.« Die beiden waren noch nicht zu Tür hinaus, als Dieter Katharina zu sich zog und nicht besonders leise sagte: »Schlafen die beiden im gleichen Zimmer?«
    »Ja … ich denke, das werden sie tun. Henry ist zweiunddreißig«, sagte Katharina gepresst.
    »Henry!«, rief Dieter seinem Sohn hinterher, der im Begriff war, die

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