Kassandra Verschwörung
seine Handgelenke gebunden.
»Ist nicht zu fest, oder?«
»Nein.« Eine Lüge. Seine Handgelenke fühlen sich an wie abgeschnürt.
Und an den Füßen das Gleiche. So liegt er da, alle viere von sich gestreckt, nackt auf dem Bett. Er weiß, dass er gut in Form ist, zieht aber trotzdem den Bauch ein wenig ein. Sein Ding ist jetzt steif wie ein Zapfhahn. O Mann, er wird es ihr besorgen, er wird es der kleinen Shari besorgen, dass ihr hören und sehen vergeht. Oje, aber was, wenn sie schreit... was, wenn Khan sie hört? Er hat einen ziemlich leichten Schlaf, was, wenn er hereinplatzt, während er hier liegt, von Kopf bis Fuß gefesselt …
Hören... dass ihr hören und sehen vergeht …
Wie kommt es, dass sie den Alarm nicht ausgelöst hat?
Noch während die Frage in seinem Kopf Gestalt annimmt, hört er, wie Klebeband abgerissen wird, und im nächsten Moment ist ihre Hand über seinem Gesicht, klebt ihm den Mund zu, wickelt das Klebeband um seinen Kopf, dann wieder über den Mund und so weiter und so fort. Himmel, Arsch und Zwirn! Er knurrt und wehrt sich. Und dann hört er ein Klick-klick und noch eins und noch eins und noch eins. Vier. Jetzt ist er nicht mehr mit Krawatten gefesselt, sondern mit etwas Kaltem. Und dann geht das Licht an.
Seine Augen brauchen ein oder zwei Sekunden, um sich an die Helligkeit zu gewöhnen. Er sieht sich nackt auf dem Bett, seine Fußknöchel und Handgelenke in Handschellen. Er ist oben und unten an die Pfosten gekettet. Kein Problem. Er braucht nur seine Muskeln anzuspannen, dann fliegen die verdammten Bettpfosten aus ihrer Verankerung. Wie konnte er nur so blöd sein. Khan wird ihn dafür umbringen. Aber wer ist die Frau? Die schwarz gekleidete Gestalt, die da am Fußende des Bettes steht? Er hat sie noch gar nicht richtig ins Visier nehmen können, doch jetzt kommt sie auf ihn zu und – Bumm!
Ein Schlag mit ihrem Hammer auf seine rechte Schläfe, und Henrik träumt wieder von den Bardamen. Die Hexe sieht auf ihn herab und lächelt. Was soll die ganze Plackerei, wenn man nicht auch ein bisschen Spaß dabei hat?
Auf der anderen Seite und ganz am Ende des Flurs liegen zwei Menschen in einem großen zerwühlten Bett und schlafen. Das ganze Zimmer riecht nach Parfüm, Badeshampoo und Sex. Die Kleidung ist wahllos auf dem Boden verstreut. Der Mann ist nackt und liegt ohne jegliche Bedeckung auf der Seite. Die Frau schläft auf dem Bauch, ihr zerzaustes Haar auf dem Kissen ausgebreitet. Sie ist mit einem weißen Laken zugedeckt, ihr linker Arm hängt schlaff von der Bettkante, die Fingernägel streifen den Teppich. Jetzt ist Schluss mit lustig, die Zeit des Spielens ist vorbei. Nun heißt es, ernsthaft an die Arbeit zu gehen. Es ist ein Glücksfall, dass der Arm so dahängt, mit sichtbar angeschwollenen Venen. Sie nimmt ihre bleistiftdünne Taschenlampe zu Hilfe, zieht die Spritze auf, testet sie und jagt sie genau in der Armbeuge in eine von Shari Capris Venen. Shari schläft jetzt nicht mehr nur, sie ist bewusstlos. Nicht einmal eine Explosion würde sie wecken. Schüsse würden nicht einmal ihre Augenlider zum Zucken bringen. Morgen früh wird sie durstig sein und mit einem klebrigen Gefühl im Mund aufwachen, höchstwahrscheinlich hat sie dann Kopfschmerzen.
Das werden ihre geringsten Probleme sein.
Jetzt bleibt nur noch Khan. Er scheint friedlich zu schlafen. Sie fragt sich, wovon er wohl träumt. Wovon träumst du, wenn du alles hast? Du träumst davon, noch mehr zu besitzen. Oder hast Alpträume, alles zu verlieren, was du hast. In Anbetracht dessen, was jetzt gleich passieren und warum es passieren wird, wäre beides angemessen. Die Hexe hockt auf dem Boden, ihr Gesicht auf gleicher Höhe wie das von Khan. Sie ist keine zwei Meter von ihm entfernt – nicht so nah, dass er sich in einem Akt der Verzweiflung beim Aufwachen auf sie stürzen könnte, aber nah genug, um ihn gründlich zu betrachten. Und während sie das tut, erscheint er ihr immer weniger als ein Mensch. Immer weniger. Er wird zu einem Motiv, einem Deal, einer krummen Zahl auf einer Abrechnung. Er wird zu ihrem Honorar.
»Mr. Khan«, sagt sie leise. »Mr. Khan.« Ein Auge öffnet sich einen Schlitz weit. Ihre Stimme klingt so sanft wie die einer Krankenschwester, die mit einem Patienten spricht, der gerade aus dem Operationssaal gefahren wird. »Zeit aufzuwachen, Mr. Khan.«
Der Unterschied ist nur, dass der Operationssaal auf Khan, jetzt, da er wach ist, erst wartet. Die Hexe lächelt, ihr scharfes
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