Kassandra Verschwörung
oder die Terroristin ist zu Fuß in die Stadt spaziert.«
»Oder von der Stadt weg.«
»Oder von der Stadt weg«, stimmte Trilling zu. »Wie auch immer, jedenfalls war es schon weit nach Mitternacht. Zu dieser nächtlichen Stunde erweckt alles Aufmerksamkeit. Ein geparktes Auto auf einer verlassenen Straße... jemand, der die Straße entlangspaziert... Vielleicht sogar jemand, der an Land kommt. Setzen Sie ein paar Männer darauf an. Sie sollen herumfragen und Autofahrer anhalten; an sämtlichen Einfallstraßen nach Folkestone Kontrollpunkte einrichten, vor allem nach Mitternacht, und sämtliche Fahrer anhalten und befragen, ob sie irgendetwas Verdächtiges bemerkt haben. Um diese Zeit sind vor allem Lastwagen unterwegs, also überprüfen Sie Transportfirmen, Lieferwagen, einfach alles.«
»Das ist ein Haufen Arbeit, Sir.«
»Ich weiß. Aber wollen Sie lieber darauf warten, dass die fragliche Person aus nächster Nähe einen Würdenträger erschießt, der bei uns zu Besuch ist? Stellen Sie sich nur mal vor, was das für den Tourismus bedeuten würde.«
»Dann wären zumindest die Straßen ein bisschen leerer«, stellte Doyle fest und erntete von Trilling einen missbilligenden Blick.
»Maximaler Kräfteeinsatz, meine Herren, und legen Sie sofort los. Sobald der Kurier eintrifft, lasse ich Ihnen von allem, was wir haben, Kopien zukommen. Und vergessen Sie nicht: maximaler Kräfteeinsatz. Was auch immer erforderlich ist.«
»Was auch immer erforderlich ist, Sir«, bestätigte Doyle.
»Sir, wie wär’s mit einem Namen für die Operation?«
»Wozu soll das gut sein? Parry und ihr Team haben dem Ganzen den Namen Hexe gegeben.«
»Aber das ist nicht der Name der Bande, oder?«
»Nein. Dominic Elder hat sich den Namen ausgedacht.«
»Wie wäre es mit Operation Fliegendes Bett?«, schlug Doyle vor. »Sie kennen doch den Film Die tollkühne Hexe in ihrem fliegenden Bett ?«
»Oder einfach Hexenjagd«, regte Greenleaf an.
»Mir gefällt die Konnotation von Hexenjagd nicht«, stellte Trilling klar. »Und Fliegendes Bett ist einfach nur bescheuert. Nennen wir es doch Besenstiel. Operation Besenstiel. Und jetzt, meine Herren, an die Arbeit!«
»Jawohl Sir«, antworteten beide im Chor.
Sie saß hinter ihrem Schreibtisch und starrte durch die offene Tür ihres Büros. Es war ein unangenehmes Gespräch gewesen, und wenn sie jetzt so darüber nachdachte, wurde Joyce Parry klar, dass sie die Dinge anders hätte ausdrücken müssen; dass sie, ungewöhnlich für sie, womöglich alles falsch angegangen war. Ihre Abteilung und die Special Branch arbeiteten eng zusammen. Die Geheimdienste hatten keine Befugnis, jemanden festzunehmen, und waren, wie in vielen anderen Angelegenheiten, auf die Hilfe der Special Branch angewiesen. Es hatte keinen Sinn, sich zu zerstreiten. Erst recht nicht mit Bill Trilling, der selbst an seinen besten Tagen ein mürrischer Mistkerl war und nicht der einfachste Mensch, um mit ihm kommunikationslos zusammenzuarbeiten oder auch nur Kontakt zu pflegen.
Nein, sie hatte es völlig falsch angepackt. Hatte versucht, die Dinge kleinzureden, hatte um das Problem herum geredet. Sie hätte taktischer vorgehen und zugeben sollen, dass sie Mist gebaut hatten und so etwas nie wieder vorkommen würde. Sie hätte nur ein bisschen zu Kreuze kriechen müssen, und Trilling wäre zufrieden gewesen. Aber wenn sie das getan hätte, würde er dann nicht noch mehr verlangt haben? Sie wollte nicht schwach erscheinen, und schon gar nicht gegenüber einem Menschen wie Trilling. Nein, auf lange Sicht hatte sie wahrscheinlich doch das Richtige getan. Sie hatte Stärke gezeigt und versucht, sich diplomatisch zu geben, und er würde sich daran erinnern. Vorausgesetzt natürlich, einer von ihnen oder sie beide behielten ihre gegenwärtigen Jobs …
Falls die Frau, die Dominic Elder Hexe nannte, ins Land eingedrungen war, und falls sie einen Mordanschlag beginge, würden auf die Sicherheits- und Geheimdienste Fragen zukommen. Und es konnte kein Zweifel bestehen, wer letztendlich verantwortlich gemacht werden würde: Bill Trilling und sie. Aber Bill Trilling hatte eine Trumpfkarte in der Hand. Seine Männer waren losgeschickt worden, das Versenken der beiden Schiffe zu untersuchen, ohne etwas von der möglichen Verbindung zu der sechs Jahre zurückliegenden Schiffsversenkung in Japan zu wissen. Also würde letztendlich Joyce Parry zur Verantwortung gezogen werden. Zu ihrer Verteidigung könnte sie vorbringen, dass es
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