Kassandra Verschwörung
in leicht fehlerhaftem Französisch geschrieben.
»Mach Françoise auch einen Kaffee!«, wies Wrightson Dawn an, die erneut die Küche ansteuerte. Dann ging er zu Dominique und legte ihr einen Arm um die Schulter. Sie zuckte zusammen. Was war, wenn er den Sender ertastete?
»Locker bleiben«, sagte er. »Es wird schon werden. Sie können andere... Freundinnen finden. Ich kenne jede Menge Mädchen wie Sie, Françoise, glauben Sie mir.« Seine Nähe widerte sie an. Sie roch seinen Schweiß und den fauligen, nach Nikotin stinkenden Atem. Dann entdeckte sie ein paar Cartoonbücher, rückte von ihm ab und nahm eins in die Hand. Es war von Separt.
Wrightson folgte ihr. »Stehen Sie auf so was?«
Sie schüttelte den Kopf. »Zu harmlos.«
Er wirkte enttäuscht. Anscheinend wollte er sich gerade damit brüsten, dass er mit dem bekannten Cartoonisten befreundet war. Unter dem Cartoonbuch lag eine Zeitung. Sie nahm sie ebenfalls auf.
»Sie lesen die London Times ?«, fragte sie.
»Ich löse nur die Kreuzworträtsel. Ich liebe Herausforderungen.«
»Es sind Seiten herausgerissen.«
Er zwinkerte. »Auf die Weise lässt sich Klopapier sparen.«
Sie lachte kurz auf.
»So gefallen Sie mir schon besser«, sagte er. »Wie alt sind Sie, Françoise?«
Barclay hatte ihr auf dem Weg gesagt, dass sie für achtzehn durchgehen würde. »Neunzehn«, erwiderte sie, um auf Nummer sicher zu gehen.
»Ein gutes Alter. Haben Sie einen Job?«
»Nein.«
»Wo wohnen Sie?«
»Bei Freunden. In einer Sozialwohnung.«
»Hätten Sie Lust auf eine Herausforderung, Françoise?«
Sie runzelte die Stirn. »Ich verstehe nicht ganz.«
Wrightson wedelte ihr mit einigen seiner Pamphlete vor der Nase herum. »Ich brauche Hilfe beim Verteilen meiner... literarischen Werke. In Nachtarbeit. Eine gute Bezahlung kann ich Ihnen nicht bieten, aber vielleicht sind Sie ja trotzdem interessiert.«
»Vielleicht.«
Er nickte. Sie durchschaute ihn: Er war ein gerissener, jedoch zugleich dummer Mann. Jemand, der Frauen ausnutzte, der seine wahren Gefühle und Bedürfnisse hinter politischen Parolen versteckte. Sie war diesem Typ Mann schon öfter begegnet.
»Geben Sie mir Ihre Telefonnummer«, verlangte er.
»Wir haben kein Telefon.«
Seine Augen verengten sich. »Sie haben doch gerade gesagt, Sie hätten Diana Ihre Nummer gegeben?«
Darauf war sie vorbereitet. Sie nickte. »Die Nummer eines Klubs, in dem einige von uns Stammgäste sind. Dort kennt mich jeder.«
»Okay. Welcher Klub?«
Auch darauf war sie vorbereitet. Sie war in der vergangenen Nacht sehr beschäftigt gewesen, hatte Pläne geschmiedet und Kleider anprobiert. »L’ Arriviste«, sagte sie. »Rue de la Lune, zweites Arrondissement.«
Er nickte. »Das kann ich mir merken.«
Dawn erschien mit drei schmutzigen Bechern, die bis zum Rand mit schwarzem Kaffee gefüllt waren. »Der Zucker ist alle«, sagte sie.
»Dann trinken wir ihn eben schwarz und bitter«, entgegnete Wrightson und nahm einen der Becher, »passend zu unseren Gedanken.«
Dawn dachte kurz über die Bemerkung nach, dann lächelte sie Dominique an, ihr Lächeln voller Bewunderung für Wrightson. Doch es enthielt zugleich eine Warnung an die junge Nebenbuhlerin, die Möchtegern-Anarchistin: »Er gehört mir.« Dominique trank darauf.
Sie unterhielten sich beim Kaffee über Politik, und sie schaffte es, weniger sachkundig zu klingen, als sie es wirklich war. Außerdem achtete sie darauf, ihre Naivität herauszukehren, wodurch sie Wrightson dazu verleitete, einen Monolog nach dem anderen zu halten. Je mehr er redete, desto weniger fragte er, und je weniger er fragte, desto wohler fühlte sie sich. Ja, sein übertriebenes Ego war seine entscheidende Schwäche. Es machte ihn blind für die Motive anderer. Das Einzige, was für ihn zählte, war er selbst. Sie hatte in Studentenkneipen schon bessere Agitationsreden gehört.
Als sie ihren Becher geleert hatte, erklärte sie, dass sie gehen müsse. Er drängte sie zu bleiben, doch sie schüttelte den Kopf. Also packte er ihr ein wenig Agitationsmaterial zusammen, einzelne fotokopierte Seiten, zusammengefaltete Pamphlete, ein paar Poster, und drückte ihr das Ganze in die Hände. Das Papier, auf dem das alles gedruckt war, sah rau und nach minderer Qualität aus, einige Blätter waren grau, andere gelb. Sie bedankte sich bei ihm.
»Einfach lesen«, sagte er. »Und die Botschaft weitergeben.«
»Die Botschaft?«
Er tippte auf seine Pamphlete. »Geben Sie sie an Ihre Freunde
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