Kassandra Verschwörung
schob es ein paar Zentimeter nach vorn.
»In Paris«, erklärte sie, »parken wir grundsätzlich nie mit angezogener Handbremse.«
»Verstehe«, erwiderte Barclay. Der 2CV war jetzt am Straßenrand geparkt, der Abstand zu den Autos vor und hinter ihnen betrug nur wenige Zentimeter. Er versuchte, nicht daran zu denken, wie sie aus dieser Position gegebenenfalls schnell die Flucht ergreifen sollten.
»Da ist das Janetta’s«, sagte Dominique. »Sehen Sie? Mit dem Pferdewettenschild.«
»Sieht nicht gerade geöffnet aus«, meinte Barclay.
»Ist sie aber«, entgegnete sie. Und wie gerufen wurde die Tür von innen aufgezogen, und ein fetter, unrasierter Mann in blauer Arbeitskluft und mit einer Baskenmütze auf dem Kopf kam herausgeschlurft. Es schien, als hätte er ein paar Drinks intus. Es war Viertel vor zehn. Hinter ihm fiel scheppernd die Tür zu.
»Ist tatsächlich offen«, bestätigte Barclay.
»Monsieur Wrightson wohnt auf dieser Straßenseite, gegenüber der Bar. Nummer achtunddreißig. Also dann.« Sie holte tief Luft und wirkte ein wenig nervös. Barclay kam der Gedanke, dass sie sich der Sache vielleicht doch nicht ganz gewachsen fühlte.
»Seien Sie vorsichtig«, sagte er, als sie ausstieg.
»Bin ich«, erwiderte sie und schloss hinter sich die Tür. Dann ging sie um den Wagen herum und öffnete seine Tür, um noch etwas zu sagen. »Wenn mir etwas zustoßen sollte...«
»Ja?«
»Kümmern Sie sich bitte um Mama.« Mit diesen Worten knallte sie die Tür wieder zu, grinste ihn an und warf ihm eine Kusshand zu, bevor sie sich auf ihren hohen Absätzen umdrehte und Nummer achtunddreißig ansteuerte. Er fragte sich, ob das ausgeprägte Wackeln ihres in dem Lederminirock steckenden Hinterns für ihn bestimmt war, oder ob sie dabei war, sich in ihre Rolle hineinzufinden. Er griff nach dem Empfänger, schaltete ihn ein und wartete.
Sie musste zwei Stockwerke erklimmen, bis sie die mit dem Namensschild WRIGHTSON J-P. gekennzeichnete Tür erreichte. Während sie die Treppe hinaufstieg, redete sie leise.
»Ich hoffe, Sie hören mich, Michael. Das Treppenhaus ist ziemlich versifft, völlig anders als bei Separt, und ich frage mich, was die beiden Männer bloß verbinden mag. Der eine schwelgt in Luxus, der andere haust im Dreck. Was meinen Sie? Ob die beiden durch ihre politischen Ansichten zusammengefunden haben? Ideale können bekanntlich Gräben überbrücken, stimmt’s?«
Vor der Tür hielt sie einen Moment inne, dann drückte sie den Knopf.
Da sich auf ihr Klingeln in der Wohnung nichts rührte, pochte sie mit der geschlossenen Faust an die Tür. Dann noch einmal. Und noch einmal. Drinnen regte sich etwas. Eine Bodendiele knarrte, jemand hustete. Dann wurde die Tür aufgeschlossen.
»Qui est...? Wow !« Der Mann, der vor ihr stand, war spindeldürr, hatte kein Gramm Fett am Körper. Er war nur mit einer enganliegenden, grauen Unterhose bekleidet, in einem seiner Mundwinkel hing eine Zigarette. Er taxierte jeden Zentimeter der vor ihm stehenden jungen Frau. » Wow «, wiederholte er. Dann wechselte er ins Französische, und Dominique fasste einen Entschluss. Als sie redete, sprach sie Englisch.
»Äh... ich bin auf der Suche nach Diana.«
»Sie sprechen Englisch?« Er nickte und kratzte sich. Dann runzelte er die Stirn. »Diana? Nie gehört.«
»Oh.« Sie machte ein enttäuschtes Gesicht. »Dabei hat sie mir gesagt, dass sie hier wohnt.«
»Hier?«
Sie nickte. »Ich glaube schon. Sie hat mir ihre Adresse genannt, aber ich habe sie vergessen. Ich war ein bisschen betrunken, glaube ich. Doch als ich heute Morgen aufgewacht bin, dachte ich, sie wäre mir wieder eingefallen. Vielleicht habe ich sie geträumt.«
»Sie meinen dieses Haus?«
Sie schüttelte den Kopf, sodass ihre Ohrringe klirrten. »Diese Etage.«
»Tatsächlich? Tja, auf der anderen Seite des Flurs wohnt der alte Prévost... aber er hat seit 68 keinen Fuß mehr vor die Tür gesetzt.« Wrightson lächelte. Er musterte sie immer noch, schätzte sie ab. »Aber egal«, sagte er, »kommen Sie rein. Kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal eine Punkerin gesehen habe.«
»Sind Punker in England nicht immer noch voll angesagt?«
»Keine Ahnung, chérie . Ich komme nicht aus England. Ich bin Australier.«
Dominique tat aufgeregt. »Genau!«, sagte sie. »Diana hat mir von einem Australier erzählt!«
»Tatsächlich?« Er runzelte erneut die Stirn. »Ist mir ein absolutes Rätsel.«
»Sie kennen sie nicht?«
Er zuckte mit
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