Kassandras Fluch
andere Attraktionen, und der Bauchtanz wurde überall gepflegt. Er war sowieso ›in‹ geworden und hatte seine angestammte Heimat verlassen. Wie eine Woge war er übergeschwappt nach Mitteleuropa. Frauen übten sich im Bauchtanz, die Kurse waren ausgebucht, es gab Wartezeiten.
Suko hielt einen Mann an, der mitteleuropäisch gekleidet war und auf dem Gepäckträger Stoffballen transportierte.
Es war schon eine Kunst, damit beim Fahren das Gleichgewicht zu halten.
»Sie sprechen Englisch?«
Der Mann grinste und hob die Schultern. Es stellte sich heraus, daß er einige Brocken sprach. Es reichte gerade aus, um uns den Weg zu erklären. Grinsend fuhr er wieder weg. Weshalb er die Lippen verzogen hatte, war uns ein Rätsel.
»Das kann man auch als Warnung auffassen«, meinte Suko.
»Tatsächlich?«
»Wir müssen auf der Hut sein.«
Das hatten wir sowieso vor. »Weißt du denn jetzt, wo wir hinmüssen?« fragte ich.
»In etwa.« Suko deutete nach links. »Da hoch, dann werden wir weitersehen.«
Diesmal blieb ich ihm auf den Fersen. Wir passierten die Fassaden, sahen die Lichter in den Lokalen, hörten die Stimmen, wurden erfaßt von der bunten Beleuchtung, aber schauten auch hinein in dunkle, schmale Hauseingänge, die mir vorkamen wie der Beginn von gefährlichen Tunnels, in denen sich Gefahr zusammenballte.
Dennoch, es war nichts passiert. Wir waren weder angemacht, noch angegriffen worden. Die Menschen gaben sich locker. Keine Schießereien, keine Schlägereien, man ging, schaute, amüsierte sich und hielt sich ansonsten zurück.
»Kennst du den Namen der Bar oder des Lokals, wo Fatima auftritt?«
Suko stieß eine Blechbüchse aus dem Weg. »Nein, aber wir würden es sehen, hat er gesagt.«
»Dann schauen wir mal.«
Auf der linken Seite entdeckten wir allerhand, aber nicht das, was wir eigentlich suchten. Bis wir wieder an eine schmale Einfahrt gerieten und in grüner Leuchtschrift den Namen FATIMA flimmern sahen. Der Pfeil darunterwies in die Einfahrt.
Wir blieben stehen. Männer drängten sich an uns vorbei und in den Schlund hinein, der dunkel war und erst am Ende, wo er allmählich aufhörte, wieder Licht zeigte. Dort waberte ebenfalls ein grünlicher Teppich, durch den die Schatten huschten, als die Menschen, die sich davor aufhielten, aus dem Lokal kamen oder hineingehen wollten. Ich verzog die Mundwinkel. »Vertrauenerweckend sieht mir das gerade nicht aus.«
»Da sagst du was.«
Noch einmal schaute ich auf die Werbung, dann betrat ich als erster den Durchgang.
Auch hier schwebten uns Gerüche entgegen. Dämpfe, die aus einem schmalen Fenster an der rechten Seite drangen, transportierten sie. Es lag so hoch, daß wir hindurchschauen und in eine Küche peilen konnten, wo mehrere Köche arbeiteten und sich dabei anschrien. Da konnte einem der Appetit vergehen.
Die Quelle des grünen Scheins am Ende der Einfahrt lag über der Tür einer Bar, die den Namen FATIMA trug. Der Eingang, ein Perlenvorhang, befand sich in ständiger Bewegung. Das Klirren wehte uns entgegen, aber mich interessierten nicht die Personen, die ein-oder ausgingen, sondern einige Männer, die auf dem Hof herumlungerten und vor lauter Langeweile kaum gehen konnten. Zwei von ihnen lehnten an der Motorhaube eines dunklen Mercedes, ein dritter stand auffällig-unauffällig nahe der Tür und schaute sich jeden einzelnen Gast an.
Auch Suko waren die Typen aufgefallen. »Die scheinen so eine Art von Kontrolleuren zu sein.«
»Fragt sich nur, für wen.«
»Hoffentlich nicht für Fatima.«
Auch wir wurden gemustert. Ich behielt den Mann im Auge. Blitzschnell musterte er uns, tat jedoch nichts, um uns aufzuhalten. Wir konnten passieren.
Die Perlen des Vorhangs hatten Fett und Staub angesetzt. Jedenfalls kamen sie mir schmutzig und klebrig vor. Dahinter lag eine düstere Höhle. Jedenfalls konnte ein Fremder beim Eintreten diesen Eindruck bekommen. Tische, alles ziemlich kleine, verteilten sich um eine Bühne, hinter der die Bar lag. Eine lange Theke, etwas verspielt angebracht, mit orientalischen Motiven und Ornamenten verziert. An den Wänden hingen Posters, die allesamt eine Frau bei der Arbeit zeigten. Es war Fatima, die Bauchtänzerin.
Leider durchzogen dicke Rauchschwaden das Lokal, so daß ich die Frau nicht genau erkennen konnte. Ein Stimmendurcheinander machte es fast unmöglich, sich mit normaler Lautstärke zu unterhalten. Ein gemischtes Publikum herrschte vor. Auf den ersten Blick nur Einheimische und natürlich
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