Kassandras Fluch
manchen irreparablen Schaden anrichten.
Sie schritten direkt dem Ausgang entgegen, und niemand kümmerte sich um sie.
Wir blieben ihnen auf den Fersen und ließen sie aus dem Dom herausgehen.
»Man kann einfach nichts tun!« flüsterte Suko, »das macht mich fast wahnsinnig.«
Ich schaute auf Kassandra. Sie starrte ihren Ring an, als suche sie dort eine Lösung.
»Was ist mit ihm?« flüsterte ich. »Kann er uns helfen?«
»Ich glaube nicht.«
Suko trat als erster ins Sonnenlicht, Kassandra folgte ihm, ich machte den Schluß.
Wir blieben irritiert stehen, denn wir sahen die beiden nicht mehr. Die Menschen schienen sie in der Masse verschluckt zu haben. Ich ging einige Schritte vor und schaute nach links.
Dort sah ich sie gehen, noch immer dicht beisammen, und sie schritten auf die Vorderseite und damit den Eingang des Dom-Hotels zu. Wollten sie dort hinein?
Ich holte auf, huschte an den Besuchern vorbei, duckte mich, kam weiter und erkannte auch, daß die beiden Männer aulgefallen waren. Wahrscheinlich besonders der Bulgare, weil er die Handgranate in seinem Mund stecken hatte. Ob sie auch von jedem Zeugen erkannt wurde, war fraglich, ich hoffte nicht, es hätte zu leicht eine Panik geben können. Aber wie würde sich Golenkow aus der Affäre ziehen?
In seiner Haut wollte ich nicht stecken. So etwas erforderte Nerven aus Stahl, das war kaum in den Griff zu bekommen. Selbst mir rann bei diesem Anblick eine kalte Haut über den Rücken.
Sie gingen nicht in das Hotel, sondern drehten nach links ab. In einer diagonal verlaufenen Linie führte der Weg geradewegs auf einen der Tiefgarageneingänge zu.
Das Sonnenlicht strahlte nicht nur über den Platz, es berührte auch die Fontäne eines Brunnens und ließ das dort hochspritzende Wasser kostbar aussehen.
Beide mußten den Brunnen passieren.
Golenkow ging rechts, der Bulgare an der linken Seite. Und er geriet auch nahe an den Brunnen.
In seinem Wasser tobten oft Kinder herum. Sichtbar hielt niemand sich in diesem kniehohen Wasser auf.
Jeder bekam die plötzliche Bewegung mit. Er rammte seinen linken Arm ebenfalls nach links, bevor Suko noch seinen Stab einsetzen und das bestimmte magische Wort hatte rufen können. Es wäre die letzte Möglichkeit gewesen, er mußte nur eben auf Rufweite an die beiden herankommen und war schon dabei gewesen, einen Bogen zu schlagen. Der Bulgare kippte über die Mauer hinweg. Das Wasser schluckte ihn und auch den Detonationsknall der Eierhandgranate.
Eine riesige Fontäne schäumte hoch, erst weiß, dann rötlich gefärbt. Wladimir Golenkow stand da, war naß, schaute gegen den Brunnen und hörte erst dann die Schreie der Menschen.
Kassandra und ich stürmten auf ihn zu, zogen ihn weg, schauten selbst in den Brunnen und erkannten, daß der Bulgare nie mehr einen Mordauftrag würde geben können.
Die Kraft der Handgranate hatte sich gegen ihn selbst gerichtet. Suko war ebenfalls herbeigelaufen, überblickte alles und entdeckte auch die grünen Uniformen der Polizisten.
»Ich glaube, John, ich setze mich ab!« flüsterte Wladimir. »Wir sehen uns bestimmt wieder.« Dann war er weg.
Ich traute ihm ohne weiteres zu, sich nicht erwischen zu lassen. Es wäre für einen KGB-Mann fatal gewesen, sich den deutschen Behörden stellen zu müssen.
Ich winkte dem Russen nicht einmal nach, denn vier finster blickende Polizisten umringten uns, schauten auch in den Brunnen… Ihre Gesichter bekamen noch mehr Härte. »Ich glaube, Sie sind uns eine Erklärung schuldig«, sagte einer von ihnen.
»Nicht Ihnen«, erwiderte ich. »Ihren Chefs. Gehen Sie zuvor in den Dom. Dort liegt in einer Nische ein bewußtloser Killer. Seine beiden Opfer finden Sie tot in der Tiefgarage unter der Domplatte. Sagen Sie der Mordkommission Bescheid.«
Die Beamten bekamen tatsächlich einen ›Bullenblick‹. Sie hielten uns für verrückt.
Im Beisein zahlreicher Zuschauer legten sie uns Handschellen an, nachdem wir entwaffnet worden waren. Wenig später führte man uns ab wie Schwerverbrecher. Die Leute klatschten noch.
»Das ist mir auch noch nicht passiert«, sagte Lady Kassandra.
»Man lernt eben nie aus.«
»Und das noch als Frau eines hohen Scotland-Yard-Beamten«, fügte ich grinsend hinzu.
Weshalb Lady Kassandra plötzlich so laut und lange lachte, wußten die Beamten nicht. Sie versprachen uns zwar, daß uns das Lachen vergehen würde, doch das tat der Laune einer Lady Kassandra keinen Abbruch. Sie meinte nur: »Diesmal lacht der am besten,
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