Kassandras Fluch
männliche Personen. Keine einzige Frau entdeckte ich unter den Gästen, auch die Bedienung war männlich. Offiziell trank niemand Alkohol. Es wurden Kaffee, Tee und alkoholfreie Erfrischungsgetränke serviert.
Wir suchten freie Plätze und fanden sie nach einigem Herumschauen. Sogar ziemlich günstig, am Rand der Tanzfläche und auch nicht weit von der Theke entfernt.
Die Stühle waren hart, die Sitzflächen zu schmal, und der Kellner noch sehr jung, fast ein Kind.
Wir bestellten Kaffee.
Der Junge brachte ihn. Er trug eine enge schwarze Hose und ein sehr weit geschnittenes Hemd, das mit seinem Saum bis über den Gürtel fiel. Den Kaffee schenkte er uns aus einer Kanne ein. Die braune Brühe füllte zwei hauchdünne Tassen. Heißer Dampf stieg uns entgegen. Ich drehte den Kopf zur Seite.
»Sprichst du Englisch?«
»Etwas Deutsch.«
»Gut.« Ich nickte. »Wann tritt Fatima auf. Wann tanzt sie?« fügte ich hinzu, als ich seinen verständnislosen Blick sah.
Er gab trotzdem eine Antwort. »Gleich, gleich, nur Minuten, only minutes…«
»Danke.«
Er ging wieder, wir schauten uns um, und Sukos Stirn zeigte einige Falten. Ich kannte ihn und fragte, was los war.
»Es gefällt mir nicht. Hier sind Gäste, die uns aufs Korn genommen haben.«
»Wieso?«
»Die Blicke, John. Das Lokal scheint keine Anlaufstelle für Europäer zu sein.«
Ich hob die Schultern. »Daran sollten sich die Türken gewöhnen. Schließlich wollen sie in die EG.«
Mein Freund mußte lachen. »Das sag denen mal hier, Alter. Aber eine gute Antwort, wirklich.«
Ich probierte den Kaffee. Er war sehr süß, und das mochte ich nicht so sehr. Jedenfalls konnte die dicke Brühe Tote erwecken oder ein Herz Purzelbäume schlagen lassen. Bisher hatten wir keine Musik gehört. Wo sich die Lautsprecher befanden, konnten wir nicht sehen, aber wir hörten die Klänge, die aus ihnen drangen und als typische, einheimische Folklore unsere Ohren erreichten. Ich erinnerte mich daran, daß es eine Musik war, nach der auch getanzt werden konnte.
Die Stimmen verstummten. Hinter der Theke arbeiteten zwei dunkelhaarige Männer, die ebenfalls nichts mehr taten und in den Hintergrund des Raumes schauten, wo sich ein Vorhang bewegte. Eine Gestalt trat hervor, die mit Beifall und Pfiffen begrüßt wurde. Es war Fatima!
Hier wirkte die Schwarzhaarige wie eine Göttin der Antike, denn sie besaß eine sehr helle Haut, die mich in ihrer Farbe schon fast an das Gesicht des Joaquim Spinosa erinnerte.
Angezogen war sie natürlich wie eine typische Bauchtänzerin. Sie trug ein knappes Oberteil, praktisch nur zwei mit Stickereien und Perlen besetzte Schalen, die ihre Brüste bedeckten.
Der Bauchnabel lag frei. Darunter begann ein schmaler Rock, der ebenfalls nur aus Schnüren bestand, auf denen zahlreiche Perlen schimmerten, die, dieses Gefühl hatte ich, bei jeder Drehung einen anderen Farbschimmer bekamen.
Fatima trug hochhackige Schuhe. Wenn der Rock zur Seite schwang und sich die Schnüre öffneten, gab er den Blick auf zwei pralle Schenkel frei, deren helle Haut leuchtete wie antike Säulen. Von ihrem Gesicht sah ich nicht viel, weil sie sich zu schnell bewegte und die langen Haare vorhanggleich den Kopf umwirbelten. Das Gesicht wurde so immer wieder verdeckt.
Viel Ahnung vom Bauchtanz hatte ich nicht. Doch was Fatima hier zeigte, war super. Sie bewegte sich einfach sagenhaft… Sie war wirklich gut, und sie zog nicht nur uns in ihren Bann, auch die einheimischen Gäste waren fasziniert.
Es war einfach stark, ihr zuzuschauen, ein Erlebnis ohnegleichen. Es kam sogar soweit, daß ich fast meinen Auftrag vergaß und mich von Fatimas Tanz gefangennehmen ließ.
Suko stieß mich an, und ich schrak regelrecht zusammen. »Was ist denn?«
»Schau mal auf den Bauchnabel.«
»Ja und?«
»Der Ring, John!«
Verdammt, Suko hatte recht.
Mein Blick konzentrierte sich auf den Nabel. Bei den meisten Tänzerinnen leuchtet dort ein Edelstein, nicht so bei Fatima. 11 ier sahen wir die ovale Scheibe, die einen muschelähnlichen Glanz aufwies, ebenso wie die, die wir Spinosa abgenommen hatten. Die Spur führte also voll ins Ziel.
»Sir James hat es gewußt«, murmelte Suko. »Jetzt brauchen wir ihr nur den Stein abzunehmen.«
»Leicht, wie?«
»Willst du es versuchen?« fragte er grinsend.
Ich enthielt mich einer Antwort, denn Fatima tanzte nicht auf der Stelle, sie nutzte die gesamte Fläche aus und näherte sich dabei auch unserem Tisch.
Mit Drehbewegungen huschte sie
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