Kassandras Fluch
Knie, das bekam ich noch mit, bevor ich mich um den Bulgaren kümmerte.
Der war ebenfalls überrascht worden. Bis er abdrücken konnte, war ich bei ihm.
Zwei Finger schoß ich gegen sein Gesicht, traf gut und hämmerte mit der anderen Hand gegen seinen rechten Arm, so daß er die Waffe loslassen mußte.
Sie fiel auf den Steinboden und rutschte davon, während er mit dem Rücken gegen die Wand krachte.
Ich ließ die Statue stehen, sprang auf ihn zu und riß ihn auf die Beine. Er war ziemlich angeschlagen, seine Augen tränten, Gegenwehr gab es bei ihm nicht, dafür keuchte er wie ein Schwerverletzter. Ich schlug noch einmal zu.
Auf seinen Hals hatte ich gezielt. Er zog den Kopf noch ein, ich traf ihn. Er sackte endgültig zusammen und blieb verkrümmt vor der dunklen Wand liegen, denn das Licht der Kerzen streifte sie kaum. Dann drehte ich mich um, denn mir war eingefallen, daß Jekov noch schießen konnte.
Nein, das schaffte er nicht mehr, denn Suko und Wladimir waren erschienen wie zwei Geister.
Der Inspektor hatte sich des Killers angenommen und ihn dermaßen überrascht, daß es Jekov nicht möglich gewesen war, sich zu wehren. Soeben beförderte ihn Suko ins Reich der Bewußtlosigkeit und zerrte ihn in die Dunkelheit der Nische. Bisher war keinem weiteren Besucher diese Aktion aufgefallen.
Wladimir Golenkow hatte sich noch nicht gerührt. Er stand da und staunte.
»War's das?« fragte Suko.
»Bestimmt nicht«, erwiderte ich und deutete auf die Statue. »Die werde ich mir vornehmen.«
»Willst du sie draußen zerhacken?«
»Bestimmt nicht. Es soll nicht auffallen, deshalb werde ich mich hier mit ihr beschäftigen.« Ich nestelte mein Kreuz hervor und streifte die Kette über den Kopf. Der Bulgare hatte mir erklärt, daß sie durch Baphomeths Odem verseucht worden war.
Wenn es stimmte, würde sie eine Berührung mit dem Kreuz nicht überstehen.
Ich sah das Gesicht der häßlichen Statue dicht vor mir, nahm das Kreuz und preßte es mitten in die flache, widerliche Fläche, wo tatsächlich sofort eine Reaktion stattfand.
Die künstlichen, mit bösem Odem gefüllten Augen knackten weg wie Nußschalen. Das Holz selbst knisterte, es begann zu schwelen, der Geruch war widerlich.
Vor meinen Augen knirschte die Statue zusammen. Als verbrannte, schwarze Reste breitete sie sich auf den Boden aus. Sie hatte es nicht geschafft, den Dom zu entweihen.
Erleichtert drehte ich mich um.
Kassandra, Suko und Wladimir Golenkow standen zusammen, sie lächelten, waren froh, wollten etwas sagen, doch das Gesicht des Russen verzerrte sich plötzlich.
»Verflucht, der Bulgare!«
Wir wischten herum, aber Golenkow sagte: »Den hole ich mir. Zu lange habe ich darauf gewartet.«
Wir ließen ihn. Er tauchte in das Dunkel der Nische ein, und wir rechneten damit, daß er den Bulgaren ins Reich der Träume schicken würde. Statt dessen ging er rückwärts, geriet in den Schein der drei Kerzen, die auch sein starres Gesicht beschienen.
»Was ist los?« zischte ich ihm zu.
Golenkow deutete nach vorn, wo der Bulgare auftauchte, und zwar in einer etwas ungewöhnlichen Haltung, denn er hatte einen Arm angehoben und gleichzeitig gewinkelt und hielt dabei die rechte Hand dicht vor seinem geöffneten Mund. Die Hand verdeckte die Lippen nicht. Daumen und Zeigefinger berührten dabei den an einem dünnen Stahlband hängenden Stift einer Handgranate.
Auch ohne Worte wußten wir Bescheid. Wenn erzog, dann sprengte er nicht nur sich selbst in die Luft, auch Unschuldige würden in Mitleidenschaft gezogen werden.
Das wußte er, und deshalb leuchteten seine Augen in einem nahezu wahnsinnigen Triumph.
Die linke Hand hatte er frei, ließ sie pendeln und deutete auf Golenkow. Es war klar, was er von ihm wollte, der Russe sollte ihn aus dem Dom heraus begleiten…
***
»Du kannst dich nicht wehren!« flüsterte ich.
Wladimir nickte. »Das weiß ich.«
»Dann geh.«
»Vielleicht packe ich es noch!« hauchte er mir zu, bevor er sich zu dem Bulgaren begab, der ihn unterhakte, als wären beide ein Liebespaar. Sie drehten uns den Rücken zu und gingen davon.
Auch durch einen blitzschnellen Schlag in den Nacken des Mannes hätten wir nichts erreicht. In einem Reflex hätte der Bulgare noch immer die Handgranate scharfmachen können, die seinen Mund ausfüllte. Ich stellte mir allerdings die Frage, wie er sich draußen auf dem Domplatz verhalten würde, wo sich Hunderte von Menschen aufhielten, denn auch dort konnte eine detonierende Granate
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