Kassandras Fluch
nicht ausgebildet, und wir mußten auf unser Glück hoffen.
Ob die drei Gestalten uns gesehen hatten, wußten weder Suko noch ich. Mein Freund hatte es schon geschafft. Vor mir packte er die Außenstange eines Güterwagens. Sie war neben den Stahlstufen angebracht und als Aufsteighilfe und Geländer gedacht.
»Los, John!« brüllte er mir zu. Hinter mir hörte ich ebenfalls Schreie. Es waren die Rufe des Rangierers, der uns vor irgendwas warnen wollte. Suko streckte mir die Hand entgegen, um mich, wenn nötig, zu unterstützen.
Es war nicht einfach. Beim ersten Greifen schon mußte ich die Stange erwischen, stieß mich ab, packte zu, hatte sie, spürte gleichzeitig ihre Glätte und hatte das Gefühl, den rechten Arm zu verlieren, so heftig war der Ruck in der Schulter.
Ich ließ nicht los, schwang die Füße hoch und drehte mich, so daß ich mit dem Rücken gegen Suko stieß, der mich an der Schulter festhielt. Dann stand ich auch schon auf dem Rungenwagen, atmete erst einmal durch und hoffte, daß dieses Zittern im rechten Arm aufhören würde.
»Gut gemacht, John.«
»Hör auf.« Ich wischte mir Nässe und Schweiß aus der Stirn, bevor ich mich umdrehte.
Mein Blick fiel auf die Baumstämme. Wie übereinandergestapelte runde Scheiben ohne Augen glotzten sie mich an, vibrierten leicht, obwohl sie von starken Ketten gehalten wurden.
Der Zug hatte den Bahnhof längst verlassen und rollte hinein in die nebelschwangere Dämmerung.
»Siehst du sie, John?«
»Nein.«
»Wir müssen trotzdem hoch.«
Ich sagte nichts und schaute mir die Sohlen der Schuhe an. Zum Glück zeigten sie ein Riffelmuster, sie besaßen also Profil, das uns halten konnte. Mit normalen Ledersohlen hätte ich es nicht gewagt, auf die Ladung zu klettern.
»Packen wir's?«
Ich verzog die Lippen. »Es bleibt uns wohl nichts anderes übrig, schätze ich.«
»Der Ring ist eben zu wichtig.« Ich gab die Bemerkung spöttisch von mir. Irgendwo war ich auch wütend, weil ich nicht wußte, um was es da ging.
Zwischen dem Kopf des Wagens und den Stämmen existierte ein genügend freier Platz, durch den wir uns schieben konnten. Daß der Güterwagen nicht so komfortabel gefedert war wie ein Intercity, erfuhren wir bei jedem Rucken neu.
»Ich mache den Anfang!« erklärte ich. »Gib du mir die entsprechende Rückendeckung.«
Suko nickte. Er zog seine Beretta, wobei ich mir bereits einen Stamm aussuchte, von dem ich auf die Rücken der anderen hochhangeln konnte.
Das war nicht gerade einfach, weil sie so ziemlich die gleiche Länge besaßen.
Ich stieß mich ab.
Mit beiden Armen umklammerte ich den Stamm, der am weitesten vorstand. Jetzt war ich über die Rinde froh. Wäre sie schon geschält worden, hätte sie mir den Halt nicht geben können. Trotzdem hingen meine Beine in der Luft. Der Wind fegte mir schräg ins Gesicht, und ich nahm den Geruch des frisch geschlagenen Holzes wahr, der auch den Nebel durchwehte.
Suko umfaßte meine Beine, preßte sie zusammen und drückte mich in die Höhe.
Es tat gut, seine Unterstützung zu spüren, so kam ich fast ohne Schwierigkeiten auf die Rücken der Baumstämme.
Man hatte mich schon erwartet.
Ob Zufall oder nicht, jedenfalls erschien einer der Kerle dicht vor mir und hatte schon den rechten Arm gehoben, um mir die Faust auf den Kopf zu dreschen.
Durch Sukos Unterstützung war ich schneller. Er hielt mich noch immer. Ich löste den rechten Arm, holte dabei aus und schlug zu. Der Kerl bekam meine Handkante gegen den Hals.
Schreien hörte ich ihn nicht, aber er rutschte weg und blieb in einer Mulde liegen.
»Sie warten schon!« brüllte ich Suko zu, bekam Schwung und landete auf den Stämmen.
Der Kerl war dabei, sich zu erheben, als ihn mein kurzer Tritt erwischte. Diesmal half ihm nichts mehr. Er riß die Arme hoch, fiel zurück und verschwand. Es sah so aus, als hätte ihn der Fahrtwind einfach weggerissen und irgendwo ins Leere geschleudert.
»Hast du ihn, John?«
»Ja.«
»Dann komme ich.«
»Okay.«
Ich konnte meinen Freund leider nicht unterstützen, denn meine Aktion war nicht unbemerkt geblieben.
Nummer zwei erschien. Geduckt kam er näher, ziemlich breitbeinig, weil er Mühe hatte, sich auf der schwankenden Ladung zu halten. Nebelfetzen umwehten ihn, sahen aus wie abgerissene und zerfetzte Tücher. In der Rechten hielt er das Messer. Die Klinge starrte böse aus seiner geschlossenen Faust hervor.
Ich blieb nicht stehen. Ebenso geduckt ging ich ihm entgegen, zog die Beretta, hatte
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