Kaste der Unsterblichen
widerfahren. Und doch … was ist mit uns selbst?«
Die Massen schwiegen.
»Waylock hat weniger Schuld auf sich geladen als wir alle – als diese große Nation, die Enklave Clarges. Wir haben die Geschichte der Menschheit beschmutzt, wir haben uns an der ganzen menschlichen Rasse vergangen. Warum? Wir haben die kreative Leistungskraft des Menschen begrenzt. Wir haben uns mit dem Götzenbild des Lebens gequält. Unser Bestreben galt einzig und allein diesem hohen Ziel, und doch ernteten wir nur die Asche unserer Leiber.
Die Spannung war unerträglich – heute fand sie ein Ventil, und es kam zur Explosion. Das war unvermeidbar – Waylock fungierte nur als Katalysator. Er beschleunigte den Lauf der Geschichte, und in diesem Sinne müssen wir ihm dankbar sein.«
Die Menge gab ein unruhiges Zischen von sich.
Jacob Nile trat einen Schritt vor und strich sich seine Haarlocke aus der Stirn. In seinem Gesicht zeigte sich nun kein Ulk mehr, keine Schalkhaftigkeit. Seine Miene war nachdenklich und ernst, seine Stimme scharf.
»Soviel zu Waylock – als einzelner Mensch ist er unbedeutend. Seine Taten jedoch sind von beträchtlicher Tragweite. Er hat dem System den Todesstoß versetzt. Wir sind frei! Der Aktuarius ist zerstört; die Datenaufzeichnungen sind unwiederbringlich verloren. Alle Menschen sind gleich!
Wie wollen wir unsere Freiheit gebrauchen? Wir können den Aktuarius wieder instand setzen und unsere jeweiligen Phylenzuordnungen bestimmen. Wir können wieder in die Gefangenschaft zurückkehren, wie Fliegen, die von einem Faden eines Spinnennetzes zum anderen schwirren. Oder … wir können einen neuen Abschnitt der Geschichte in Angriff nehmen – in dem es Leben für alle Menschen gibt, nicht nur für einen Auserwählten unter zweitausend!«
Die Menge begann auf Niles Leidenschaftlichkeit zu reagieren. Hier und dort gestikulierten Arme; einzelne, zustimmende Rufe ertönten.
»Wie können wir das bewerkstelligen? Man sagte uns, unsere Welt sei zu klein, um allen Menschen Unsterblichkeit zu gewähren. Das stimmt. Wir müssen wieder zu Pionieren werden, in unbekannte Regionen hinausziehen, neue Gebiete erschließen! In früheren Zeiten trotzte der Mensch seinen Lebensraum der Wildnis ab. Wir müssen seinem Beispiel folgen. Soll dies die Bedingung für das ewige Leben sein! Ist das nicht angemessen? Hat nicht jeder Mensch einen Anspruch auf Leben, der sich seinen Lebensraum selbst schafft und für seinen eigenen Unterhalt sorgt?«
Ein heiseres Stöhnen erhob sich aus der Menge. »Leben! Leben!«
»Wo gibt es diesen Lebensraum, wo müssen wir ihn suchen, wo können wir ihn finden? Zunächst einmal in der Wildnis hier auf der Erde, in den Ländern der Nomaden. Wir müssen uns ausbreiten, wir müssen den Barbaren unsere Kultur bringen. Aber wir dürfen nicht als Soldaten zu ihnen gehen, sondern als Pilger und Missionare. Wir müssen mit ihnen verschmelzen. Und dann, wenn die Erde erschlossen ist, wo gibt es dann noch Lebensraum? Wo sonst noch?« Jacob Nile wandte sich der Star Enterprise zu und blickte zum Himmel empor. »Als wir den Aktuarius zertrümmerten, zerstörten wir auch die Fesseln, die uns hier festhielten. Jetzt hat jeder die Möglichkeit, Leben, ewiges Leben, zu erringen. Der Mensch muß vorwärts schreiten, das liegt ihm in Fleisch und Blut. Heute hat er sich die Erde Untertan gemacht – seine Zukunft liegt zwischen den Sternen. Das ganze Universum wartet auf ihn! Warum also sollten wir noch zögern und zaudern, wenn es Leben für uns alle gibt?«
Eine sonderbare Ruhe hatte sich inmitten der Menschenmassen ausgebreitet. Erhitzte Gemüter beruhigten sich, und die Gedanken beschäftigten sich mit der Bedeutung von Niles Worte.
Die Menge seufzte; der Laut wehte dahin, schwoll an und verklang dann wieder – so als sei die von Niles beschriebene Aussicht zu schön, um wahr zu sein.
»Ihr seid das Volk von Clarges«, sagte Nile. »Veränderungen erfolgen auf eure Entscheidung hin. Was bestimmt ihr?«
Die Reaktion der Menge war lebhafter, enthusiastischer.
Eine einzelne, dünne Stimme – war es die von Vincent Rodenave? – schrie: »Aber Gavin Waylock! Was ist mit Gavin Waylock?«
»Ach, Waylock«, sagte Nile nachdenklich. »Er ist gleichzeitig ein gemeiner Verbrecher und ein großer Held. Sollten wir ihn deshalb nicht auch einerseits bestrafen und andererseits belohnen?« Nile wandte sich um und sah zur Star Enterprise auf. »Hier steht es, das großartige Sternenschiff, bereit zum Flug
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