Kastell der Wölfe
auch kein Spiel mehr. Diese Augen, deren Farbe bei diesem wenigen Licht besonders scharf hervortrat, ließen ihn nicht aus der Kontrolle.
Archie wusste nicht mehr, was er noch tun sollte. Er hatte das Gefühl, schreien zu müssen, aber aus seinem Mund entwich nur ein leises kümmerliches Krächzen.
Die Falle war zu.
Bisher hatten sich die Wölfe nicht bewegt. Plötzlich zuckten die Köpfe in die Höhe.
Archie hörte ein Rascheln, das ihm ebenfalls Angst einjagte. Er wusste, dass die Wölfe nicht mehr von ihm wegbleiben würden. Sie würden kommen und ihn als Beute betrachten.
Die ersten beiden Körper erschienen. In der Dämmerung sahen sie verändert aus. Sie wirkten unheimlich, fast schon wie Monster aus einer anderen Welt. Sie schlichen heran. Das Laub raschelte unter ihren Füßen. Die kalten Augen, deren Farbe ein blasses Gelb zeigte, waren mit einem Grünschimmer versehen.
Inzwischen stand für Archie fest, dass sie etwas mit ihm vorhatten. Er wusste, dass es nichts anderes für ihn gab. Sie würden ihn anfallen und fressen.
Seine Zähne klapperten aufeinander, sein Blick trübte sich. Er hörte auch nichts mehr, weil in den Ohren plötzlich eine dumpfe Wand lag.
Und dann waren sie da.
Das Rascheln, die Sprünge!
Der Junge schrie, als ihn die Körper erwischten und von den Beinen rissen. Wieder fiel er zu Boden, aber das Laub war weich genug, um den Aufprall zu dämpfen. Er bekam ihn so gut wie nicht mit.
Sofort waren die Wölfe über ihm. Einer sprang auf seinen Körper, und Archie spürte das Gewicht, das ihm die Luft nahm und ihn härter in das Laub drückte.
Eine Schnauze verbiss sich in seinen Haaren. Im nächsten Moment leckte eine feuchte Zunge an seinem Hals entlang, und er stellte sich vor, dass ein Maul genau in seine Kehle biss.
Das taten sie Wölfe nicht. Sie hatten etwas anderes mit ihm vor. Wieder verbissen sie sich in seiner Kleidung und zerrten ihn über den Boden.
Auf dem Rücken liegend wurde Archie durch das feuchte Laub geschleift. Die Blätter flogen in die Höhe, landeten mal auf seinem Gesicht, wurden von ihm ausgespuckt, ebenso wie die Dreckklumpen, und als er wieder eine freie Sicht bekam, da sah er Bully in seiner Nähe.
In seiner üblichen Gangart lief er neben ihm her. Den Kopf zu ihm hingedreht. Sein Blick sah für Archie traurig aus, so als wüsste Bully genau, was die Wölfe mit ihm vorhatten.
In einer verzweifelten Geste streckte ihm Archie noch seine linke Hand entgegen, doch seine Hoffnung zerbrach, denn Bully wollte sie nicht. Er hatte sich voll und ganz auf die Seite der Wölfe gestellt.
Die Tiere verließen die Lichtung. Sie zerrten ihre Beute weiterhin über den Boden, und Archie merkte, dass der Widerstand größer wurde. Flechten rutschten unter seinem Körper hinweg. Laub wurde aufgewirbelt. Farne und hohe Gräser streiften durch sein Gesicht. Manche der dünnen Blätter fühlten sich auf der Haut an wie scharfe Messerklingen.
Die Wölfe ließen ihre Beute nicht mehr los. Hin und wieder schnappten sie sogar noch härter zu, um einen besseren Halt zu bekommen. Der Junge spürte den Druck ihrer Zähne auf seiner Haut, aber er wurde dabei nicht verletzt.
Als Archie die Augen öffnete, sah er den Himmel über sich wie eine drohende Wand. Er wurde auf die Mauern des alten Kastells zugeschleift.
Er merkte, dass er leicht rutschte, und wenige Sekunden später wurde es um ihn herum finster.
Die Dunkelheit machte ihm Angst. Und die entlud sich in einem grellen Schrei...
***
Nach der Hügelkuppe breitete sich wirklich eine andere Landschaft vor Bill und mir aus. Hier gab es keine Felder mehr, keine sanften Hänge, sondern eine weite Ebene, auf der dichter Wald wuchs.
»So also sieht es hier aus«, flüsterte Bill. »Das hätte ich nicht gedacht.«
»Ein perfektes Versteck.«
»Du sagst es. Und zudem verdammt groß.«
Da musste ich meinem Freund leider zustimmen. Das Waldgebiet sah sehr weitläufig aus. Um es zu durchsuchen, würden wir Tage benötigen. Und ob wir dabei einen der Wölfe zu Gesicht bekamen, war zumindest fraglich.
Ich sah allerdings keine andere Möglichkeit. Die Wölfe und der Junge mussten hier verschwunden sein.
»Hat man nicht von einer Ruine gesprochen, die früher mal ein Kastell gewesen war?«, fragte Bill.
Ich nickte. »Hat man.«
»Siehst du etwa was davon?«
»Nein.«
Inzwischen war es dunkel geworden. Der Tag hatte keine Lust mehr, uns mit der Helligkeit zu beglücken. Nur tief im Westen sahen wir noch ein schwammiges
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