Kastner, Erich
belästigen. Guten Tag, mein Herr.«
Er zog den Hut. »Guten Tag, meine Dame.« Dann drehte er ihr den Rücken und ging.
Sie war einigermaßen verblüfft und blieb ein paar Sekunden stehen. Dann warf sie stolz den Kopf zurück und entfernte sich in der entgegengesetzten Richtung. So ruppig brauchte er nun auch nicht zu sein, dachte sie gekränkt. Sie hätte sich gern umgedreht. Aber da sie wußte, was sich ziemt, unterließ sie’s.
Sonst hätte sie gesehen, daß er, die Hände in den Taschen, lächelnd hinter ihr herspazierte.
Zwei Herren, die drüben am »Frascati« standen, besprachen den Fall.
»Was hältst du davon?« fragte Karsten.
Herr Achtel rümpfte die voluminöse Nase. »Eine ganz gewöhnliche Liebesgeschichte!«
»Scheußlich!« sagte Karsten.
Anschließend folgten sie dem großen schlanken Herrn, der Rudi hieß.
Und Rudi folgte der jungen Dame, die den gleichen Vornamen wie seine Leipziger Cousine hatte.
Das »Vierblättrige Hufeisen« ist eine obskure Matrosenkneipe.
Nicht weit vom Nyhavn. In einer Nebengasse. Man muß etliche schiefgetretene Stufen hinunterklettern. Und später dieselben Stufen wieder hinauf! Das ist der schwierigere Teil der Kletterpartie.
Aber noch war es nicht soweit.
Oskar Külz saß in einer Nische. Storm, der Mann mit den hochgerutschten Ohren, hockte neben ihm. Sie waren vorgerückter Laune und tranken einander zu. Manchmal mit Tuborg Öl. Manchmal mit Aquavit. An den anderen Tischen saßen Männer in blauen Schifferjoppen und tranken ebenfalls.
»Eine schöne Stadt«, erklärte Külz.
Storm hob sein Schnapsglas hoch.
Külz auch.
»Prost!« riefen beide und tranken die Gläser leer.
»Eine wunderschöne Stadt«, sagte Külz.
»Eine fabelhafte Stadt«, meinte Storm.
»Eine der schönsten Städte überhaupt«, behauptete Külz.
Es klang wie Skat mit Zahlenreizen.
Dann tranken sie wieder. Diesmal Bier. Der Kellner brachte, ohne direkt aufgefordert worden zu sein, zwei Gläser Aquavit.
»Eine herrliche Stadt«, murmelte Külz.
Storm nickte gerührt. »Und morgen müssen wir sie verlassen!«
Der Berliner Fleischermeister schüttelte traurig den grauen Kopf.
»Ein Glück, daß Sie mitfahren. Allein wäre mir die Sache zu gewagt.
Prost, Storm!« – »Prost, Külz!«
»Es kann gefährlich werden, Storm. Sehr gefährlich kann es werden! Haben Sie Mumm in den Knochen?«
»Glaube schon, Sie oller Tiroler! Und wieso gefährlich?«
»Sag ich nicht! Die Kunst soll leben!«
»Hoch, höher, am höchsten!« Storm ertappte sich plötzlich beim Singen. Und er spürte erschrocken, daß er nur noch ein Bier und zwei Schnäpse zu konsumieren brauchte, um so betrunken zu sein, daß es keinen praktischen Wert mehr hatte, ob der andere noch besoffener als er selber wäre.
»Prost!« rief Külz und trank aus.
»Prost!« Storm griff daneben.
Der andere drückte ihm väterlich das Glas in die Hand. »Kellner, noch zwei Korn! Und zwei Flaschen Helles!«
Der Kellner brachte die neue Lage.
»Menschenskind, kriegt man beim Saufen Durst«, sagte Külz.
»Ein Glück, daß ich vorher einen kleinen Aufschnitt für zwölf Personen verdrückt habe.« Er lachte in der Erinnerung an die Wurstplatte. Dann meinte er: »Wenn ich gründlich vorgelegt habe, kann ich vierundzwanzig Stunden trinken. Prost Störmchen!«
Strom trat der kalte Schweiß auf die Stirn. Es flimmerte vor seinen Augen, als tanzten Mücken. »Komme nach«, flüsterte er heiser und kippte das Bier hinunter.
Külz füllte nach. »Es war Schicksal, daß wir uns begegnet sind.
Nun können sie kommen!«
»Wer kann kommen?«
»Es gibt ja so schlechte Menschen auf der Welt!« Külz schlug dem kleinen Storm auf die Schulter, daß der fast vom Stuhl sank.
»Und niemand weiß genau, warum sie schlecht sind. Könnten sie’s nicht im Guten versuchen? Wie? Warum sind sie schlecht? Da weiß nicht mal der Pastor einen Vers drauf.«
»Ich bin auch schlecht«, stammelte Storm. »Nein, mir ist auch schlecht!« Sein Kopf schwebte im Nebel.
»Da hilft nur Schnaps!« behauptete Külz energisch. »Kellner, zwei Korn!«
Der Kellner rannte und brachte das Gewünschte.
Storm spürte, wie man ihm Aquavit einflößte. Er war nicht mehr fähig, sich zu sträuben. Er dachte eben noch: Wenn dieser Kerl mich hineingelegt haben sollte… Dann sackte er vom Stuhl.
»Prost, alter Knabe«, sagte Külz. »Der Teufel soll die schlechten Menschen holen.«
Da erst merkte er, daß er allein am Tisch saß.
Vor einem Haus in der
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