Kastner, Erich
Hörer auf die Gabel.
Die anderen schauten ihn neugierig an.
»So etwas Blödes!« sagte er. »Hier geht’s um ’ne halbe Million, und meine Frau fragt, ob ich nun bald zum Essen komme!«
Es klopfte.
Ein Wachtmeister trat ins Zimmer und nahm stramme Haltung an.
»Ein Brief für Herrn Steinhövel! Wurde soeben abgegeben.«
Der Kunstsammler nahm den Brief in Empfang. Der Wachtmeister zog sich zurück. – Herr Steinhövel öffnete das Kuvert, las das Schreiben und reichte es wortlos dem Kommissar. Der las es auch und gab es an Irene Trübner und Herrn Külz weiter.
»Oha!« rief Oskar Külz. »Die Handschrift kenn ich! Mit dieser Pfote schrieb die Bande dem jungen Mann einen Brief. Auf dem Trajekt. Und später mir, als sie die falsche Miniatur zurückbrachte.
In Warnemünde. Gestern nacht.« Er wandte sich an den Beamten.
»Aber wieso können die Brüder denn noch Briefe schreiben? Ich denke, Sie haben sie hinter Schloß und Riegel!«
»Wir haben bestimmt nur einen Teil der Bande festgenommen«, meinte der Kommissar.
Irene Trübner nickte. »Der Brief stammt wahrscheinlich von dem Herrn mit dem weißen Bart und der dunklen Brille. Ich hatte immer das Gefühl, daß er der Anführer ist.«
»Und was wollen wir tun?« fragte Herr Steinhövel.
Der Kommissar drückte auf eine Klingel. »Wir fahren selbstverständlich hin. Ich werde Zivilbeamte vorausschicken. Die sollen das Haus unauffällig umstellen, ehe wir hineingehen.«
Der Wachtmeister erschien. Der Kommissar erteilte die nötigen Befehle. Dann sagte er: »Kommen Sie! Begeben wir uns in die Höhle des Löwen!«
Sie brachen auf.
Der Brief blieb auf dem Schreibtisch zurück.
Er lautete:
»Die vom Holbeinraub betroffenen Herrschaften werden hierdurch höflich gebeten nach Beuststraße 12a zu kommen.«
Sämtliche Ein-und Ausgänge vom Kaufhaus des Westens waren abgesperrt. Vor den Toren standen Schupos und hielten dem Ansturm der Passanten stand. Hinter den Toren standen gleichfalls Schupos. Sie beschwichtigten die gegen sie andrängende Menschenmenge, die aus dem Warenhaus heraus wollte. Es war ein Krach wie im Zoo vor der Fütterung.
Der Komponist Struve raste, von mehreren Beamten gefolgt, über alle vorhandenen Treppen, durch alle Korridore, Gänge und Lager.
Die Abteilungschefs durchstöberten mit ihren Angestellten sämtliche Winkel und Schränke. Sie leuchteten mit Taschenlampen unter die Ladentische. Sie blickten hinter alle Vorhänge. Die Fahrstühle waren stillgelegt worden. Die Liftboys und die Packer stiegen in die Keller und ließen kein Brett auf dem andern.
Professor Horn war und blieb verschwunden!
Die im Warenhaus eingesperrten Menschen wurden immer unruhiger. Und die Schupos, die Herrn Rudolf Struve begleiteten, wurden immer müder und warfen dem kleinen dicken Herrn, der sie anführte, immer häufiger höchst mißtrauische Blicke zu.
Wer weiß, was noch alles geschehen wäre, wenn sich nicht unter den Passanten vorm Kaufhaus ein kleines Mädchen von etwa sechs Jahren befunden hätte! Dieses Kind, das Mariechen hieß, stand mit seiner Mutter in der Ansbacher Straße. Die Mutter tauschte mit den Umstehenden allerlei Vermutungen aus. Mariechen hingegen betrachtete, von Problemen unbeschwert, die Schaufenster.
Plötzlich sagte das Kind sehr laut und aufgeregt: »Mutti, guck mal! Die große Puppe klappert mit den Augen!«
Alle, die Mariechens Bemerkung gehört hatten, blickten wie auf Kommando in das zunächst befindliche große Schaufenster.
Mitten in der Auslage, zwischen Mänteln, Schals, Hüten, Pyjamas und Oberhemden, saß eine elegant bekleidete Schaufensterpuppe.
Ein vornehmer älterer und glattrasierter Herr…
»Das ist ja ein Mensch!« schrie eine gellende Stimme.
19. KAPITEL
HERR KÜHLEWEIN LERNT DAS FÜRCHTEN
Als das Polizei-Auto vor dem Gebäude Beuststraße 12a hielt, machten die Fahrgäste zunächst einmal große Augen. Und der Kriminalkommissar sagte: »Seit wann residieren denn Einbrecher in Versicherungspalästen?« Er kletterte aus dem Wagen und war der jungen Dame und den zwei alten Herren beim Aussteigen behilflich.
»Das sind die neuen Methoden«, meinte Külz abgeklärt.
Herr Steinhövel zauderte. »Ob wir uns in der Hausnummer geirrt haben?«
Irene Trübner trat rasch zu ihrem Chef. »Das ist doch die Gesellschaft, bei deren Kopenhagener Vertreter wir die Miniatur vor einer halben Woche versichert haben!«
Der Kommissar sprach bereits mit einem der betreßten Torhüter.
Dann kam er eilends
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