Katakomben (van den Berg)
was?“ „Willst du mich auf den Arm nehmen? Ich weiß gar nicht, wo wir
anfangen sollen.“ „Dann ist ja klar, dass du mich angerufen hast!“ „Du weißt
doch, ohne dich sind wir grundsätzlich aufgeschmissen“, flachste van den Berg.
„Kannst du gleich kommen?“ „Wenn ich könnte, würde ich fliegen.“
Eine
halbe Stunde später flog van den Bergs Bürotür auf. Der Kommissar strahlte bis
über beide Ohren, als die Psychologin vor ihm stand. Schon während der letzten
Ermittlungen hatte ihn die attraktive Frau mächtig beeindruckt. Jetzt stand sie
im Türrahmen seines schlichten Arbeitszimmers, ihre dunkelbraunen langen Haare
hatte sie streng nach hinten gekämmt und zu einem Zopf geknotet. Die hautenge
Jeans und die perfekt sitzende braune Lederjacke waren unheimlich sexy. Nicole hatte
sich daran gewöhnt, dass Männer ihr, der Unwiderstehlichen, unterstellten, dumm
zu sein. Offen ins Gesicht sagte ihr das niemand, aber zwischen den Zeilen
konnte sie es oft genug heraushören. Für derartige Vorurteile hatte Nicole nur
ein charmantes Lächeln übrig. Sie sprach selten darüber, dass sie in Paris und
Barcelona studiert und ihr Diplom mit Auszeichnung gemacht hatte. Van den Berg
wurde leicht nervös, als er auf ihren festen Arsch starrte.
„Wer
zum Teufel vergiftet ein junges Mädchen und schmeißt es dann vor eine Kirche?
Ich hab wirklich schon einige kranke Sachen gesehen, aber das hier ist echt das
Heftigste“, meinte van den Berg mit weit aufgerissenen Augen. „Kannst du mir
schon ein Täterprofil erstellen?“ „Klar, sofort, bis ins letzte Detail“, meinte
Nicole, während sie eine doofe Grimasse zog. Van den Berg setzte einen
entschuldigenden Blick auf. Sie zog ein Notizbuch aus der Tasche und schrieb
einige Stichworte hinein. „Eines ist dir sicher schon aufgefallen: Unser Mann
steht auf junge Mädchen - wahllos hat er sie nicht ausgesucht, so wie er die
hergestylt hat. Er hatte Sex mit ihr, bevor er sie umgebracht hat.
Normalerweise töten Sexualtäter, um Spuren zu verwischen oder weil sie in Panik
geraten. Das hier ist das Gegenteil. Er präsentiert das Mädchen wie eine
Trophäe. Die Frage ist, warum er sie umgebracht hat und dazu noch mit diesem
Teufelszeug.“ Der Kommissar lauschte konzentriert. „Vielleicht hat der Typ
einen Hass auf junge Frauen, zum Beispiel, weil er gekränkt worden ist.“ Van den
Berg hob zweifelnd die Hände. „Das erklärt aber nicht, warum er das Mädchen vor
der Kirche abgelegt hat.“ „Der Mann sucht die Öffentlichkeit - wahrscheinlich
hat er ein starkes Geltungsbedürfnis. Vielleicht ist das ein religiöser
Fanatiker, einer der Opfer bringt.“ „Ist das nicht ein bisschen weit
hergeholt?“ „Natürlich ist es das. Das sind reine Hypothesen. Ich brauche
einfach mehr Informationen – du bist am Zug“, sagte Nicole und blickte van den
Berg herausfordernd in die Augen. „Was soll das mit dem Brandmal?“ „Spricht
dafür, dass er gerne Mädchen quält –muss höllisch wehtun, so ein heißes Eisen
im Fleisch zu haben.“
Van
den Berg stand nicht nur auf Nicole, weil sie so hübsch war. Genauso mochte er
ihren messerscharfen Verstand und ihre Art, ohne Umschweife auf den Punkt zu
kommen. „Du sprichst immer von „er“. Bist du sicher, dass „er“ keine Frau ist?“
„Ein zierliches hübsches Mädchen, das Nachthemd – für mich ganz klar eine
männliche Handschrift.“ „Keine hohe Meinung, die du von uns Männern hast.“
„Findest du, ich hätte Grund dazu?“ Die beiden lachten. „Kannst du dir einen
Reim auf die 8 machen?“ „Wahrscheinlich hat die Zahl weniger mit dem Opfer als
mit dem Mörder zu tun. Die 8 ist die Zahl mit der größten Ästhetik – sie
strahlt Harmonie aus.“ Van den Berg schaute Nicole skeptisch an. „Vor allem ist
die 8 eine heilige Zahl – das ist sie übrigens in vielen Religionen. Im
Christentum steht die 8 für Neubeginn.“ „Für Neubeginn? Hoffentlich nicht für
den Beginn einer Mordserie. Das wäre das Letzte, was wir gebrauchen können.“
„Du weißt, dass ich gerne rum spinne, aber für eine fundierte Analyse dieses
Brandmahls haben wir einfach zu wenig Anhaltspunkte“, sagte Nicole ernst.
„Verfluchte Scheiße, das passt mir alles überhaupt nicht. Ich glaube, wir
werden uns an dieser Geschichte richtig die Zähne ausbeißen.“ Van den Berg ging
zum Fenster und starrte in den Hof. Beide schwiegen und dachten noch eine ganze
Weile nach. Dann hatte van den Berg genug. „Wir machen morgen
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