Kater Brown und die Klostermorde - Kriminalroman
soeben ein neues Opfer gefunden, einen Mönch, der damit beschäftigt war, den langen Korridor zu fegen.
»Können Sie dafür nicht einen nassen Aufnehmer benutzen, verdammt noch mal?«, zeterte er, als er den Mann mit dem Besen erreicht hatte. »Mit diesem Ding wirbeln Sie mehr Staub auf, als Sie überhaupt wegfegen können.«
»Tut mir leid, aber dann wird der Fußboden rutschig, und wir wollen nicht, dass jemand stürzt«, gab der ältere, etwas beleibte Mönch leise zurück. Er trug sein weißes Haar so kurz geschnitten, dass man fast meinen konnte, er hätte eine Glatze.
»Dann stellen Sie eben Schilder auf, dass der Boden rutschig ist«, entgegnete Wilden, der plötzlich bemerkte, dass Alexandra ein Stück von ihm entfernt vor ihrem Zimmer stand und sich das Schauspiel ansah. »In einem vernünftigen Hotel ist das Personal im Übrigen für die Gäste unsichtbar. Da wird gefegt und gewischt und sauber gemacht, wenn niemand da ist, der sich davon gestört fühlen könnte.«
Alexandra hatte von diesem Auftreten jetzt wirklich genug, auch wenn Wildens Unverschämtheiten diesmal nicht gegen sie gerichtet waren. Energisch ging sie auf die beiden Männer zu. »Sagen Sie, Herr Wilden, müssen Sie sich eigentlich immer und überall so aufblasen?«
Wilden drehte sich zu ihr um. »Reden Sie mit mir?«
»Mit wem denn sonst?«, konterte sie.
»Wenn Sie schon meinen, Sie müssten mich ansprechen, dann sparen Sie sich wenigstens Ihren Sarkasmus! Ein einfaches ›Ja‹ hätte ausgereicht und mich nicht so viel Zeit gekostet.«
»Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Müssen Sie sich immer so aufspielen? Ist das eine Art Zwang bei Ihnen?«
»Ich gebe Ihnen jetzt mal einen kostenlosen Ratschlag, den Sie sich zu Herzen nehmen sollten, junge Dame. Es gibt eine wichtige Regel, wie man sich als Untergebener in der Öffentlichkeit zu verhalten hat: Man soll sich nie mit einem Fremden anlegen. Es könnte ja sein, dass er schon morgen Ihr Vorgesetzter wird, und dann stehen Sie mit ganz, ganz schlechten Karten da.«
Alexandra konnte nun nicht mehr anders, sie musste laut lachen. Sie musterte Wilden von oben bis unten, und einmal mehr stellte sie fest, dass der Napoleon-Komplex nicht bloß ein Mythos war. »Wissen Sie was?«, sagte sie. »Sie können mich mal gernhaben, Sie kleiner Wichtel!« Damit drehte sie sich um, lächelte dem Mönch noch einmal zu und machte sich auf den Weg ins Foyer. Sie hatte vor, sich dort nach Bruder Johannes zu erkundigen, der ihr als Ansprechpartner genannt worden war, um sie mit Hintergrundinformationen zum Hotel zu versorgen. Am Empfang arbeitete mittlerweile ein anderer, etwas jüngerer Mönch. Das dunkelbraune Haar trug er länger als alle Mönche, die ihr bislang begegnet waren. Er stand vor der Tafel mit den Steckkarten und betrachtete sie.
»Verzeihung, darf ich kurz stören?«, fragte Alexandra.
Der Mönch drehte sich zu ihr um. Er hatte ein schmales Gesicht mit tief liegenden, dunklen Augen, die ihm eine ein wenig unheimliche Ausstrahlung verliehen. Möglicherweise war er aber auch nur übernächtigt. Als er Alexandra erblickte, verzog er den Mund zu einem Lächeln, dem sie ansehen konnte, dass es von Herzen kam.
»Was kann ich für Sie tun, Frau … Berger, richtig?« Seine Stimme hatte etwas angenehm Sanftes und bildete einen krassen Gegensatz zu seinem düsteren Erscheinungsbild.
»Ja, genau. Ich wollte nachfragen, ob Bruder Johannes wohl etwas Zeit für mich hat. Ich …«
»Stimmt, Sie sind die Journalistin«, unterbrach er sie. »Ich bin übrigens Bruder Jonas.« Er ergriff ihre Hand und drückte sie.
Der Mönch war eigentlich ein wirklich gut aussehender Mann, und er war noch recht jung. Was ihn wohl dazu veranlasst hat, sich für ein Leben im Kloster zu entscheiden?, überlegte Alexandra. Was immer es auch war, er hatte letztlich der Welt da draußen nicht entkommen können. Wie musste er sich jetzt fühlen, da das Kloster zum größten Teil zu einem Hotel umfunktioniert worden war? Seine Pläne, ein rein monastisches Leben zu führen, waren vom Schicksal vereitelt worden, was frustrierend sein musste.
»Bruder Johannes hatte am Telefon davon gesprochen, dass ich mit ihm wegen meines Artikels reden kann.«
»Er ist im Augenblick im Kräutergarten«, erwiderte der junge Mönch und zeigte auf einen Grundriss neben dem Empfang, der ihr zuvor gar nicht aufgefallen war. »Wenn Sie diesen Flur nehmen, bis zu dieser Tür dort, dann gelangen Sie geradewegs in den
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