Kater Brown und die Klostermorde - Kriminalroman
Tastendruck die aktuellen Zahlen auswerfen, und die Leute von der Bank bestanden darauf, jederzeit diese Zahlen anfordern zu können, ohne erst tagelang auf die Unterlagen warten zu müssen.« Er zuckte bedauernd mit den Schultern. »Offenbar sind wir für die Bank trotz all unserer Bemühungen ein etwas wackliger Kandidat, und nach dem Debakel mit unserem Abt will man uns den Kredit immer nur in den Häppchen überlassen, die wir gerade benötigen. Offenbar will man so verhindern, dass noch mal jemand mit ein paar Millionen untertaucht.«
Alexandra nickte. »Na ja, aus Sicht der Bank kann man das verstehen. Aber wieso die Handys?«
»Wir sollen wie die Mitarbeiter in jedem anderen Hotel jederzeit erreichbar sein. Es geht nicht, dass wie früher in einem einzigen Raum in unserem Kloster ein klobiges altes Telefon mit Wählscheibe steht, das keine Anrufe aufzeichnen und keine SMS empfangen kann.« Bruder Dietmar wiegte den Kopf hin und her. »Anfangs war ich ziemlich skeptisch, weil das ja etwas … etwas sehr Weltliches ist, aber mittlerweile bin ich wie die meisten meiner Brüder von dieser Technik richtig begeistert.« Sie hatten das Ende des Korridors in diesem Trakt erreicht, der Gang bog nach links ab. Bruder Dietmar öffnete eine Tür mit der Aufschrift Saal I , und mit einem Mal wurde Stimmengewirr laut.
Gut ein Dutzend Männer und Frauen standen vor im Kreis angeordneten Staffeleien und traktierten Leinwände mit Ölfarbe. Ein paar der Anwesenden wandten sich kurz um und nickten Bruder Dietmar und Alexandra zu, die sich suchend umschaute.
»Wo ist denn das Modell oder das Stillleben, das sie malen sollen?«, fragte sie.
Der Mönch schüttelte den Kopf. »Wir arbeiten in diesem Kurs nicht mit Modellen oder vorgegebenen Motiven. Die Teilnehmer sollen auf der Leinwand Gefühle zum Ausdruck bringen oder malerisch bestimmte Themen umsetzen. Heute geht es um den Begriff ›Teamwork‹.« Er deutete auf die Leinwand einer Frau mit kurzen schwarzen Haaren, die ein Spektrum aus verschiedenen Farben gemalt hatte. »Sehen Sie, wenn ich diese Arbeit richtig verstehe, ist hier folgender Aspekt von Teamwork dargestellt: Die Farben geben sich gegenseitig Halt und stützen einander. Würde eine der Farben sich an einer anderen Position befinden oder fehlen, wäre das Spektrum fehlerhaft und damit unbrauchbar.«
»Aha«, sagte Alexandra nur und ließ sich von dem Mönch aus dem Saal führen.
»Das ist übrigens die Gruppe, mit der Herr Wilden hier ist«, erläuterte er, als sie weiter durch den Korridor gingen. »Sie belegen im Augenblick die meisten Zimmer, die übrigen sind Gäste, die allein oder zu zweit hergekommen sind. Sie unternehmen ausgedehnte Wanderungen, wofür sich die Lage des Klosters natürlich hervorragend eignet. Oder sie nehmen am Schweigekreis teil.«
»Schweigekreis?«
»Ja, der trifft sich immer in Saal IV, den wir deshalb auch nicht betreten können. Die Teilnehmer sitzen dort ein bis zwei Stunden im Kreis und schweigen, um die innere Ruhe wiederzufinden, die ihnen im Alltag abhandengekommen ist.«
Alexandra nickte. »Wenn alle Gästezimmer belegt sind, kann man aber doch sagen, dass Ihr Klosterhotel gut ankommt, oder?«
»Das ja«, bestätigte Bruder Dietmar. »Wir haben regen Zulauf. Dennoch wird es noch Jahre dauern, bis wir wirklich rentabel arbeiten können.«
»Ja, ich habe davon gelesen, dass das Kloster kurz vor dem Ruin stand. Wie konnte es überhaupt dazu kommen?«
»Das ist eine lange, unrühmliche Geschichte oder besser gesagt: Sie hat vor langer Zeit begonnen. Abt Bruno hat über Jahre hinweg die Bücher gefälscht und Gelder beiseitegeschafft, die unter anderem aus Förderprogrammen der EU stammten. Solche Zahlungen hat er dann auf ein zweites Konto überweisen lassen, weshalb das Geld bei uns nie angekommen ist. Die Verwendungsnachweise für diese Gelder waren von vorn bis hinten gefälscht, einschließlich der Belege beispielsweise für angebliche Umbauarbeiten. Unter anderem soll der komplette Dachstuhl erneuert worden sein, was Abt Bruno mit Scheinrechnungen belegt hat. In Wahrheit ist das Dach seit dem späten neunzehnten Jahrhundert nicht mehr umfassend saniert worden. Und als auf einmal eine Betriebsprüfung anstand, hat der Abt sich einfach abgesetzt. Er hat uns im Stich gelassen, uns wurde vom Finanzamt der Status der Gemeinnützigkeit aberkannt. Die Bank ist heute im Grunde genommen der wahre Eigentümer der gesamten Anlage, weil sie uns auf Vermittlung des
Weitere Kostenlose Bücher