Kater Serano ermittelt 01 - Katzengold
Hintertreppe hinunter. Draußen empfing ihn die warme Hand des Frühlings. Mit schmerzenden Lenden stakste er durch den Hof und in die Einfahrt der Fleischerei. Den Lieferwagen nahm er kaum wahr, wohl aber die goldenen Augen darunter.
Er roch ihr Fell, und als Aurelia ihn mit einem Nasenstüber begrüßte, wusste er, dass er da war, der Augenblick, auf den sie so lange gewartet hatten.
Aber in ihm blieb es beängstigend ruhig. Er hatte Dutzende solcher Momente erlebt, und immer war er höchst erregt gewesen. Angesichts des satten Dufts der Fruchtbarkeit war er im Bruchteil einer Sekunde von Serrano, dem Kater des Fleischers, zu Serrano, dem Herrscher des Viertels, geworden: Bei Gott, und er hatte geherrscht, dass seine Königinnen darüber den Verstand verloren hatten. Wieder und wieder hatte er sie beglückt, bis sie ermattet, aber zufrieden voneinander abgelassen hatten und jeder seiner Wege gegangen war.
Bei Aurelia hatte es ebenso und auch ganz anders laufen sollen. Aurelia war noch Jungfrau. Sie war unerfahren, aber klug, auch wenn es ihr hinsichtlich der Menschen noch an Bildung mangelte. Was das betraf, hatte Serrano angefangen, sie zu unterrichten. Denn und das war ihm bereits bei ihrer ersten Begegnung klargeworden er liebte sie.
Er liebte sie immer noch.
»Hallo«, sagte er.
Aurelia rieb sich an seinem Hals. Ihre Schnurrhaare vibrierten. »Ich habe heute Nacht von Kätzchen geträumt. Vier Kätzchen. Zwei gestreifte und zwei rote, so süß und so stolz auf ihren Vater.«
Behutsam leckte Serrano ihre Nase.
»Euer Vater ist der König des Viertels, habe ich zu ihnen gesagt.«
»Aurelia.«
Sie begann sich von neuem an ihm zu reiben.
»Ich liebe dich.«
Sie lachte und stupste ihn in den Bauch. Unwillkürlich fuhr Serrano zusammen. »So empfindlich?«, gurrte sie.
Der Geruch ihrer Fruchtbarkeit war kaum zu ertragen. Aber anders als sonst löste er in Serrano nur eine Mischung aus Mitleid und ... Ekel aus. Er hasste sich dafür.
»Lass uns ein bisschen am Fluss entlanglaufen«, sagte er matt.
Augenblicklich ließ sie von ihm ab. »Wozu?«
»Nur so. Wir könnten Enten ...«
»Die Enten sind mir scheißegal, Serrano!«
»Ja. Trotzdem. Ich ...«
»Begreifst du denn nicht? Es ist so weit! Ich will, dass du der Vater meiner Kinder wirst.«
»Aurelia«, sagte Serrano sanft. »Eine Vaterschaft ist nichts, was man so einfach vom Zaun bricht.«
Wie vom Blitz getroffen sprang Aurelia zurück. »Ach nein? Fängt der göttliche Serrano plötzlich an, seine Kinder zu zählen? Wiegen die Bälger der fetten Maja auf einmal mehr als unsere?«
»Nein.« Er wich ihrem Blick aus. Ihre Kinder wären ihm mehr wert gewesen als alle, vielleicht hätte er einem von ihnen in ferner Zukunft sogar das Viertel abgetreten. Aber es gab nichts mehr abzutreten, und die Trauer darüber, zusammen mit der Wut, dass ein dahergelaufener Fleischer es so festgelegt hatte, schlug über ihm zusammen. »Wir müssen uns unterhalten.«
Über Aurelias goldenes Fell ging eine Welle. »Ich will nicht... ich kann mich nicht unterhalten!«
»Ja ... ich weiß.«
»Also!«
Ihre Zunge traf ihn hart am Kinn, während ihr zarter Bauch das Pflaster des Bürgersteigs streifte. Es brach ihm das Herz.
»Hör auf damit, ich bitte dich.«
Mit einem Satz war sie wieder auf den Pfoten. »Du hast eine andere!«
»Was? Nein, ich habe keine ...« »Denkst du, ich sehe nicht, wie dieses schielende kleine Biest seit Tagen um die Fleischerei streicht?«
»Wen meinst du?«
»Du weißt ganz genau, wen. Diesen schwarzen, struppigen Hungerhaken.«
»Krümel?«, fragte Serrano baff.
»Du hast es ihr gemacht, oder?«
»Sei nicht albern! Krümel ist meine Tochter.«
Aurelia lachte höhnisch auf. »Hast du dabei auch daran gedacht?«
»Hör auf!«, befahl Serrano.
Aurelia bleckte ihre Zähne, zwei Reihen spitzer, weißer Stifte. Sie zitterte am ganzen Körper. »Na gut, wie du willst«, sagte sie leise. »Dann höre ich auf.«
Ihre Schnauze stieß vor, und ehe Serrano begriff, was vor sich ging, splitterte etwas in seinem Nacken. Im nächsten Augenblick war Aurelia in der Einfahrt verschwunden.
Als Serrano um die Ecke bog, verließ die Alte aus Aurelias Haus eben die Fleischerei. Sie schickte dem vorbeifliegenden Goldschweif einen Fluch nach und hob drohend den Stock. Aber dann überlegte sie es sich anders und ließ ihn auf den Rücken eines Mannes niedergehen, der sich neben ihr an einer Laterne abstützte.
Liebermann starrte die Alte durch einen
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