Katharsia (German Edition)
werden könnte und dieses ewige Versteckspiel nun ein Ende haben würde. Ihm stand die Genugtuung über ihren gelungenen Schachzug ins Gesicht geschrieben.
Massef wirkte weniger aufgekratzt als die anderen. „Die KORE-Leute werden sich erst einmal wie die Ratten in ihren Löchern verkriechen und abwarten, was weiter geschieht“, sagte er, nachdenklich in die Runde blickend. Man sah ihm an, dass er etwas auf dem Herzen hatte.
Denise, sensibel wie sie war, sprach ihn darauf an: „Was ist los mit Ihnen, Herr Massef? Sie freuen sich ja gar nicht.“
Massef druckste noch ein wenig herum, was ganz gegen seine Art war.
„Nicht, dass ich Sie loswerden möchte“, begann er dann, „aber vielleicht sollten Sie die Gelegenheit nutzen, Makala so schnell wie möglich zu verlassen. Ich meine, am besten heute noch.“
Sando wurde es mulmig. Weggehen von hier? Weg von Maria? Ihr Zustand bereitete ihm große Sorge. Er fürchtete, dass sie sich eines Tages ganz verlieren könnte an diese andere Frau, Callista. Konnte er da einfach so verschwinden? Alles in ihm sträubte sich dagegen. Natürlich war ihm klar, dass sie nicht ewig im Haus des Reporters festsitzen konnten. Sie gefährdeten ihn und auch sich selbst.
Sando seufzte.
„Heute noch? Wo sollen wir so schnell hin?“, hörte er Gregor mit seiner zarten Stimme fragen.
Darauf Denise, ohne zu zögern: „Nach Paris! Mein Vater könnte uns ein unauffälliges Quartier besorgen.“
Verblüfftes Schweigen.
Sicher war Denises Vorschlag nicht ganz uneigennützig gewesen, träfe sie in Paris doch ihren Vater wieder, dennoch hatte die Idee, in einer fernen Metropole unterzutauchen, auch für die anderen ihren Reiz.
„Paris“, sagte Gregor, als schmecke er das Wort auf seinen Lippen.
Nabil brummte erfreut: „Ich war noch nie in Paris.“
„Und was sagst du dazu, Sando?“
Der Junge schreckte auf. Denise schaute ihn fragend an.
„Ich kann hier nicht weg“, sagte er mit belegter Stimme.
„Warum nicht? Wegen Maria?“
„Sie braucht mich.“
„Und wie stellst du dir das vor? Wie willst du ihr helfen?“
„Keine Ahnung.“
„Du allein wirst hier nichts ausrichten können. Lass uns zusammenbleiben“, bat ihn Denise eindringlich.
„Sie hat Recht“, pflichtete ihr Gregor bei. „Glaub mir, Sando, Marias Schicksal hängt davon ab, dass wir Battoni und seiner Bande das Handwerk legen. Und das können wir nur gemeinsam. Wenn du ihr helfen willst, dann bleib bei uns.“
„Ihr wollt doch nur fliehen.“
„Wir wollen überleben. Tot nützen wir niemandem, auch Maria nicht.“
Maria zurücklassen. Seine Gefährten verlangten viel von ihm. Ihre Argumente waren freilich nicht von der Hand zu weisen: Wie sollte er, der Neuankömmling, allein hier zurechtkommen? Er würde blind in die erstbeste Falle laufen. Damit wäre Maria nicht gedient. „Nun komm“, drängte Denise. „Gib deinem Herzen einen Stoß! Hast du nicht gesagt, dass sich Doktor Fasin um sie kümmern will?“
Ja, in der Tat, das hatte er versprochen. Der Doktor wollte alles tun, damit sie wieder in ihr Leben zurückfand. Sando atmete tief durch und verkündete schweren Herzens: „Gut, wir bleiben zusammen.“ Der Erleichterung folgte hektische Betriebsamkeit. Denise rief in Paris an, nicht ihren Vater direkt, weil man damit rechnen musste, dass er abgehört wurde. Ein zuverlässiger Freund aus der Nachbarschaft versprach, ihm Nachricht zu geben. Massef zapfte einen seiner vielen Informanten an und erfuhr, dass das KORE heute keine Kontrollen am Flughafen durchführte. „Mit den neuen Pässen werden Sando und Denise problemlos durch die Abfertigung kommen“, sagte er und machte sich daran, die Flüge am Computer zu buchen.
„Und ich?“, zirpte Ben. „Was wird aus mir?“
Sando nickte zum Zeichen, dass er verstanden hatte, und wandte sich an Massef: „Gibt es eine Chance, Ben durch die Kontrollen im Flughafen zu bringen?“
„Du meinst, ob das Gepäck auf Seelen hin überprüft wird?“, fragte der Reporter zurück und zuckte mit den Schultern. „Meines Wissens nicht. Ich habe jedenfalls noch nie davon gehört.“
„Sie denken also, wir können es wagen, Ben mitzunehmen?“
Massef malträtierte die Tasten auf der Suche nach freien Plätzen in der Maschine nach Paris und sagte: „Vielleicht wäre es gut, wenn du ihn bei dir hast, Sando. Bei einem Jungen in deinem Alter schauen sie nicht so genau hin.“
„Ich denke, in Katharsia hat das Aussehen nichts mit dem wirklichen Alter zu
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