Katharsia (German Edition)
Ich schätze, die KORE-Leute haben jetzt andere Sorgen, als sich um solch einen kleinen Fisch zu kümmern.“
„Und wenn nicht? Die verstehen keinen Spaß, das weißt du.“
Der Blonde ließ nicht locker. „Es bleibt unter uns. Wir haben halt nichts bemerkt.“
„Du meinst, wir sollen ihn einfach laufen lassen? Wir sind nicht die Einzigen, die gesehen haben, dass auf dem Monitor etwas nicht stimmt. Kannst du mit Bestimmtheit sagen, dass uns hinterher keiner in den Rücken fällt? Wenn du deinen Hals für einen so windigen Burschen riskieren willst – bitte sehr. Ich werde es jedenfalls nicht tun.“
„Dein letztes Wort?“
„So ist es.“
„Kein bisschen Mitleid mit dem Jungen?“, bohrte der Blonde nach, aber es war bereits entschieden.
Der andere brummte noch etwas wie „Und wer hat Mitleid mit mir, wenn es herauskommt?“, dann drehte sich der Blonde seufzend um, warf Sandos Sachen wieder in den Rucksack und sagte: „Tja, Junge, wir müssen dich jetzt dem KORE übergeben. Es geht leider nicht anders … So ist die Vorschrift …“
Nun ist alles vorbei , dachte Sando, der während des Gespräches hin und her gerissen worden war zwischen Hoffen und Bangen. Stumm sah er zu, wie der Blonde ein Formular ausfüllte. Widerspruchslos ließ er sich hinausführen.
Ein langer Gang. Rechts eine große Glasfront, durch die das Rollfeld zu sehen war, links Türen, hinter denen Beamte tagtäglich Vorgänge wie den seinen bearbeiteten.
Endlich klopften seine Begleiter an eine der Türen. Ein kleines Schild wies darauf hin, dass hier das KORE residierte. Darüber leuchtete eine rote Signallampe. Es dauerte einen Moment, dann schaltete das Rot auf Grün um und mit einem kurzen Summen entriegelte sich die Tür. Die beiden Männer der Flughafenwache schoben Sando hinein.
Ein kleiner Vorraum mit einer Bank.
„Setz dich und warte hier!“, forderte ihn der Blonde auf und warf das ausgefüllte Formular in einen Kasten an der Wand. Dann verschwanden die beiden. Die Tür fiel ins Schloss. Sando war allein, den verräterischen Rucksack auf seinem Schoß.
Er wusste nicht, wie lange er in dem kahlen Raum gesessen hatte, es schien ihm eine Ewigkeit, als ein groß gewachsener Mann in Zivil auftauchte. Er entnahm dem Kasten das Formular, warf einen Blick darauf und winkte Sando in sein Büro. Drinnen stand ein mächtiger Schreibtisch. Der Beamte lief um ihn herum, setzte sich und begann, das Formular zu studieren. Sando ließ er derweil unbeachtet stehen. Bange Momente für den Jungen. Seine Freunde waren sicher längst auf dem Wege nach Paris. Und was wurde aus ihm?
Der Kerl hinter dem Schreibtisch regte sich. „Du hast also Kokonmaterial bei dir!“
Das Spiel begann von vorn: Sando musste seinen Rucksack auspacken. Der KORE-Mann betrachtete sorgfältig jedes einzelne Stück, klappte Fatimas rotes Kästchen auf, drehte und wendete seinen Reisepass hin und her.
„Name?“, fragte er unvermittelt.
Sando brauchte einen Moment, um zu begreifen, was der Mann von ihm wollte.
„Sando …“, sagte er dann und stockte. Beinahe hätte er „Wendelin“ gesagt. Er schluckte.
„Hast du keinen Nachnamen?“
„Doch … äh … Brendel.“
Der Beamte ging schweigend über Sandos Unsicherheit hinweg. Offenbar war der Junge nicht der erste, den in dieser Situation das große Stottern ankam.
Plötzlich stutzte der KORE-Mann, fasste mit spitzen Fingern in den Pass hinein und zog ein kleines Kärtchen hervor. Sando erkannte es wieder. Es war jenes Kärtchen, das Doktor Fasin ihm nach dem Unfall mit dem Kipper gegeben hatte. Der Junge hatte es achtlos in den Pass gesteckt und vergessen.
Sein Gegenüber betrachtete das Stück mit auffälligem Interesse. „Doktor Fasin“, sagte er gedehnt. „Hast du das Kokonmaterial von ihm?“
Sando ahnte nichts Gutes. „Nein“, sagte er wahrheitsgemäß und hoffte, dass Doktor Fasin nicht unschuldig in die Hände des KORE geriet.
„Wo hast du das Material dann her?“
In Sandos Kopf arbeitete es. Was hatte Massef gesagt? Gegenüber Neuankömmlingen wären die Behörden nicht so streng? Er verlegte sich also darauf, den Ahnungslosen zu spielen.
„Dieses Material, von dem Sie sprechen … davon weiß ich nichts.“
Der KORE-Mann verzog das Gesicht. „Also komm, das glaubst du doch selbst nicht!“
Er griff in den Rucksack und zog das Futter heraus.
„Du willst mir doch nicht weismachen, dass du nichts von diesem Kokon gewusst hast!“
„Ich habe den Rucksack auf dem Basar
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