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Katharsia (German Edition)

Katharsia (German Edition)

Titel: Katharsia (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Magister
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erst wenige Minuten zurück.
    Der Arzt widmete sich wieder Denises Vater.
    „Wie geht es ihm?“, fragte Sando bang.
    Ohne seine Augen von dem Patienten abzuwenden, brummte Professor Merlin durch seinen Mundschutz: „Im Moment ist er stabil, aber das kann sich jeden Moment ändern.“

BRAINSCREENING
    Die Freunde schauten sich besorgt an. Nabil fragte beinahe schüchtern: „Was fehlt ihm denn … ich meine, um welche Krankheit handelt es sich eigentlich?“
    „Nun, ja …“ Der Mediziner wirkte ein wenig genervt. „Organisch habe ich bisher nichts feststellen können. Der Körper ist völlig gesund. Trotzdem droht der Kreislauf immer wieder zu kollabieren. Ich denke, es ist die Seele.“
    „Die Seele?“
    „Ja, irgendetwas scheint ihn schwer zu belasten. Ich versuche eben, mit einem Brainscreening dahinterzukommen.“
    Gregor schaute ein wenig skeptisch drein. Er fragte: „Warum behandeln Sie ihn nicht im Krankenhaus?“
    Professor Merlin musterte Gregor für einen kurzen Moment, dann sagte er knapp: „Der Patient war nicht mehr transportfähig.“ Er wandte sich wieder Denises Vater zu, nestelte an einem dünnen Draht und schaute dabei auf einen großen Monitor, der, gehalten von einem ausladenden Stativarm, mitten im Raum zu schweben schien. Die Augen aller Anwesenden folgten seinem Blick.
    Brainscreening , dachte Sando. Was wird die Untersuchung ergeben? Über den Bildschirm huschten undeutliche Schatten. Knack- und Kratzgeräusche kamen aus den Lautsprechern. Professor Merlin legte unzufrieden brummend den Draht weg und rief im Befehlston: „Das Beta-Screening bitte! Sie sehen doch, dass die Alpha-Variante nichts bringt!“
    Ein Wort der Entschuldigung murmelnd sprang der Assistent in der hellblauen Montur herbei und begann hastig, mit Knöpfen und Schaltern zu hantieren. Ein angespanntes Schweigen herrschte im Raum. In das monotone Piepen der Apparaturen hinein mischte sich das leise Kratzen einer Schreibfeder. Sando sah Fouchet, der neben dem Durchgang zum großen Salon stand und etwas in einem Büchlein notierte.
    Neben dem Jungen räusperte sich Nabil. „Und was wird jetzt aus ihr?“ Der Hüne deutete auf Denise.
    Professor Merlin schaute auf, erblickte den bewusstlosen kleinen Engel auf der Liege. „Was soll das?“, rief er ungehalten. „Die Frau muss an die Überwachung! Sofort!“
    Der Assistent unterbrach sein Geklapper mit Schaltern und Tasten. Schwitzend begann er, die losen Sensordrähte und Schläuche zu sortieren und an Denises Körper zu befestigen.
    „Ist es so dringend?“, fragte Gregor beunruhigt. „Ihr Vater ist doch im Moment außer Gefahr, oder?“
    „Das will nichts heißen, junger Mann. Sein Zustand ist kritisch. Das allein kann reichen, Ihre Freundin aus dem Leben zu befördern. Wir müssen sie beobachten, um rechtzeitig eingreifen zu können. Alles andere wäre ein ärztlicher Kunstfehler. Wir wollen hoffen, dass sie eine starke Konstitution hat. Trotz bester Behandlung passiert es immer wieder, dass der beseelte Mensch überlebt und sein Wunschwesen den Strapazen erliegt.“
    Inzwischen war Denises Körper unter dem Gewirr von Messleitungen kaum noch auszumachen. Mit einem Knopfdruck aktivierte der Assistent die Überwachungsgeräte. Das Piepen im Raum verstärkte sich.
    Nach einem prüfenden Blick sagte der Arzt beruhigt: „Sie ist stabil. Und jetzt das Beta-Screening, wenn ich bitten darf, bevor ich hier Wurzeln schlage!“
    Einige Sekunden später meldete der Assistent mit hörbarer Erleichterung: „Das Beta-Screening liegt an!“
    Kurz darauf erschien auf dem großen Monitor ein gestochen scharfes Bild. Es zeigte Denise – genauer gesagt, eine Frau, die ihr zum Verwechseln ähnlich sah. Der einzige Unterschied: Sie trug keine Flügel. Bekleidet mit einem weißen Schwesternkittel beugte sie sich dem Betrachter zu und sagte: „Du musst keine Angst haben, kleiner Gerard, ich bin ja bei dir.“
    Eine angsterfüllte Kinderstimme wimmerte: „Sie werden mir wieder wehtun.“
    Daraufhin begann das Bild zu verschwimmen.
    „Oh nein!“, sagte Sando, der die Vorgänge auf dem Monitor verfolgt hatte, enttäuscht. „Können Sie es nicht wieder scharf stellen?“
    „Nein. Die Unschärfe kommt nicht von unserer Apparatur, es sind seine Tränen“, flüsterte Professor Merlin. Seine Körperhaltung verriet extreme Anspannung. „Wir navigieren in einer Kindheitserinnerung des Herrn de Teynac. Die Krankenschwester, die mit ihm spricht, ist offensichtlich das irdische Vorbild

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