Katharsia (German Edition)
damit sagen?“, fragte der Hüne.
„Nichts“, wich der Professor aus. „Nur eben, dass Retamin knapp ist – aber das dürfte Ihnen ja nicht neu sein. Es steht in allen Zeitungen.“
„Geben Sie doch zu, dass Sie an ihrem Zustand schuld sind!“, presste Sando zornig hervor. „Heute Morgen waren beide noch gesund!“
Professor Merlin reagierte genervt. Er riss sich den Mundschutz herunter. Sein Gesicht war rot angelaufen. Er schnappte nach Luft und hob zu einer heftigen Erwiderung an. Doch Fouchet kam ihm zuvor.
„Du hast eine rege Fantasie, Junge“, sagte er kühl.
Während der Professor schnaufend die Luft wieder abließ, schaute sich Sando suchend um. Wo war nur Ben? Vielleicht konnte er unbemerkt Hilfe holen …
Als könnte Fouchet Gedanken lesen, teilte er beiläufig mit: „Übrigens haben wir hier im Haus eine illegale Seele geortet.“
Er machte eine Pause, um die Wirkung seiner Worte zu erhöhen, und fuhr fort: „Aber es besteht kein Grund zur Besorgnis. Uns als Seelenspezialisten ist es freilich gelungen, sie dingfest zu machen.“
Wenig später saßen Sando, Gregor und Nabil schweigend im großen Salon. Die KORE-Leute hatten ihre Sachen durchsucht und einiges beschlagnahmt. Darunter ihre Pässe und die Fotos von der Beerdigung der Helikopterpiloten in Makala. Da sind wir also blind in die Falle getappt , dachte Sando. Genauso gut hätten sie in Makala in Marias Nähe bleiben können. Dann wären sie jetzt vielleicht noch frei.
Die KORE-Kämpfer, die draußen vor der Glasfront patrouillierten, und die Geräusche der Medizintechnik, die aus dem Nachbarraum herüberdrangen, hielten ihre Nerven unter Dauerspannung. Fouchet hatte angeordnet, das Brainscreening ohne ihr Beisein fortzusetzen. Ein bewaffneter Posten neben dem Durchgang verwehrte ihnen den Zutritt zu der fragwürdigen medizinischen Prozedur.
„Warum stöbern sie eigentlich in seiner Kindheit herum?“, flüsterte Sando, damit ihn der Posten nicht verstehen konnte.
„Es könnte mit den geheimen Menschenversuchen zu tun haben“, vermutete Gregor. „Vielleicht erhoffen sich die Seelenretter neue Erkenntnisse von Denises Vater. Was immer er durch die Experimente erlitten hat, es muss sich tief in sein Gedächtnis eingegraben haben. Damals war es noch nicht möglich, direkt ins Hirn zu schauen, aber jetzt …“
„Du meinst … die Versuche gehen weiter …? Hier in Katharsia …?“, fragte Sando ungläubig.
Gregor wiegte nachdenklich den Kopf und sagte schließlich: „Hast du bemerkt, an welcher Stelle sie das Screening abgebrochen haben? Es sah so aus, als wollte Fouchet verhindern, dass wir den uniformierten Arzt erkennen.“
Sando fröstelte es. Er krümmte sich in seinen Sessel und sagte dumpf: „Und was, wenn wir ihn erkannt hätten? Es macht doch keinen Unterschied. Wir sind in ihrer Gewalt. Wenn sie wollen, verkabeln sie uns mit ihrer Hirnmaschine und klicken auf die Löschtaste.“
Mit angezogenen Knien hockte er da und spürte das Medaillon auf seiner Brust. Er trug es immer bei sich und hütete es wie seinen Augapfel. Nun schoss ihm ein beunruhigender Gedanke durch den Kopf: Maria! Gab es in dem Haus, wo sie jetzt lebte, auch eine solche Apparatur? Versuchten die Seelenretter, Marias Wesen auszulöschen, damit Platz wurde für eine neue Seele?
Er teilte Gregor und Nabil seine Befürchtungen mit.
„Wenn es so ist, wie du sagst, beherrschen sie die Löschfunktion noch nicht richtig. Immerhin war es dir gelungen, Marias Erinnerung wiederzuerwecken“, flüsterte Gregor.
„Aber sie werden es wieder und wieder versuchen, Gregor. Und irgendwann ist Maria nicht mehr Maria …“
Im Durchgang tauchte plötzlich Fouchet auf. Nach einem kurzen Blick auf die drei Gefangenen eilte er, geräuschvoll mit seinen Lackschuhen auftretend, durch den Salon und trat zielstrebig auf einen geschlossenen Wandschrank zu. Er öffnete ihn schwungvoll, nahm ein dickes blaues Buch heraus.
Dabei sagte er wie im Selbstgespräch: „So, es ist Zeit für die erste Sitzung.“
Sando, Gregor und Nabil sahen sich verdutzt an. Nur Sando hörte, wie aus dem Buch heraus eine Seele zirpte. Was sie sagte, konnte er allerdings nicht verstehen.
Fouchet verschwand wortlos im Durchgang.
Nabil saß da mit offenem Mund. „Was war denn das für ein merkwürdiger Auftritt“, brummte er. „Der Kerl muss durchgedreht sein.“
„Ist er nicht“, entgegnete Sando. „Er glaubt nur, wir merken nicht, was gespielt wird.“
„Und was ist das für
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