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Katharsia (German Edition)

Katharsia (German Edition)

Titel: Katharsia (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Magister
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ein Spiel?“, wollte Nabil wissen.
    Sando sah, dass der Posten seine Ohren spitzte.
    „Er hat eine Seele aus dem Schrank geholt“, sagte er so leise, dass Nabil und Gregor glaubten, sie hätten sich verhört.
    „Eine Seele?“, fragte Nabil ungläubig.
    „Psst, nicht so laut!“, zischte Sando. „Ja, eine Seele. Sie steckte in dem blauen Buch.“
    „Woher willst du wissen, dass eine Seele darin war?“, raunte Gregor skeptisch.
    „Ich habe sie gehört.“
    „Das ist doch …“ Gregor schüttelte fassungslos den Kopf. „Sie wollen Denises Vater doch nicht etwa eine fremde Seele einpflanzen?“
    „Und wir sitzen hier und können nichts tun“, brummte Nabil.
    Nach einer Zeit resignierten Schweigens sagte Gregor unvermittelt: „Könnte es nicht sein, dass sie auch Ben dort in den Schrank gesteckt haben?“
    „Das können wir feststellen“, raunte Sando.
    „Und wie willst du das anstellen? Der Posten wird dich nicht einmal in die Nähe des Schrankes lassen …“, zweifelte Nabil.
    „Und wenn doch? Ich habe das Gefühl, der Posten weiß nicht, was in dem Schrank steckt. Er war genauso verblüfft über das komische Verhalten seines Chefs wie ihr.“
    Sando stand auf.
    „Sei vorsichtig!“, warnte ihn Gregor.
    „Ich suche mir etwas zu lesen“, sagte Sando laut und schlenderte an den Bücherregalen entlang. Hin und wieder nahm er ein Buch heraus, blätterte darin herum und stellte es wieder zurück.
    Der Posten beobachtete ihn aus den Augenwinkeln, unternahm aber nichts.
    Langsam näherte sich Sando dem Wandschrank und nahm ein Buch aus dem Regal, das direkt daneben stand.
    Der Posten reagierte nicht.
    Kurzentschlossen griff der Junge nun nach dem kleinen, verzierten Schlüssel, der in dem Schloss steckte, drehte ihn um und zog die Tür auf.
    Der Posten hüstelte plötzlich und sagte erstaunlich freundlich: „Mach den Schrank besser wieder zu, Junge! Der Chef hat sicher etwas dagegen, wenn einer der Gefangenen hier herumschnüffelt.“
    „Hier sind aber so schöne Bücher“, gab Sando zurück.
    Tatsächlich sah er sich einigen Reihen Bücher gegenüber. Aber wo war Ben?
    Der Posten drängte. „Na los, Junge, mach schon, ehe der Chef etwas merkt!“
    „Sofort“, sagte Sando. Er hörte jetzt deutlich Bens Stimme.
    „Ganz oben rechts, das dicke Buch“, zirpte er. Am Ende einer Reihe von Taschenbüchern stand ein auffallend dickes, in rotes Leder gebundenes Buch. Rasch nahm Sando es heraus.
    „Kannst du nicht hören, Junge?“ Der Posten wurde ungeduldig und machte Anstalten, zu Sando hinüberzugehen.
    „Ist ja gut, ich mache den Schrank schon zu!“, versetzte Sando, während er den Lederband aufklappte.
    Es war eine Buchattrappe, innen hohl und mit Kokon ausgekleidet. Sando unterdrückte einen Freudenschrei, als Ben ihm entgegenschwebte.
    Plötzlich ging irgendwo eine Sirene los. Der Posten riss die Waffe hoch.
    Seelenalarm , dachte Sando erschrocken.
    Hastig stellte er das rote Buch zurück und warf die Schranktür zu. Ben sauste derweil quer durch den Salon und verschwand eiligst in Sandos kokonbeschirmtem Rucksack, der auf dem Sessel neben Gregor lag. Sobald er in seinem Versteck war, brach das Heulen ab. Der Spuk war so plötzlich vorbei, wie er begonnen hatte, und als Fouchet erschien, um nach dem Rechten zu sehen, saß Sando bereits wieder auf seinem Platz.
    „Was war los? Probleme mit den Gefangenen?“, wollte Fouchet von dem Posten wissen.
    „Keine besonderen Vorkommnisse. Der Junge hat sich nur die Bücher angesehen.“
    „So, so … Bücher“, sagte Fouchet gedehnt. „Hat er dabei auch in diesen Schrank geschaut?“
    Sando klopfte das Herz bis zum Hals. Der Posten öffnete den Mund, zögerte ein wenig, sagte dann aber fest: „Er hat sich nur für die Bücher in den Regalen interessiert.“
    „Sind Sie sicher?“, fragte Fouchet.
    „Ganz sicher!“
    Fouchet musterte die Gefangenen argwöhnisch und verschwand wieder im Nebenraum.
    Sando räusperte sich und sagte: „Danke!“
    „Schon recht“, brummte der Posten. „Doch tu das nie wieder, Junge! Ein zweites Mal glaubt er mir nicht.“
    Zwei Stunden später, draußen war es längst dunkel geworden, tauchten aus dem Nachbarraum Fouchet, der Professor und sein Helfer auf. Alle machten einen abgespannten Eindruck. Schweigend öffnete der Arzt den Wandschrank und stellte das blaue Buch zurück. Stumm machte er dem Assistenten ein Zeichen, die Tür wieder zu schließen. Die Gefangenen würdigte er keines Blickes. Als die Gruppe den

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