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Katharsia (German Edition)

Katharsia (German Edition)

Titel: Katharsia (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Magister
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überhörte den Einwand, nahm etwas aus der Truhe und Sando erkannte den Rest der Blase, in der er als Seele gesteckt hatte. „Wie kommen Sie in den Besitz dieses Kokons?“, fragte der Engel scharf.
    Franz wurde kreidebleich und stammelte: „Den wollte ich … natürlich abliefern …“
    Der harsche Ton des Engels und die Waffen, die er trug, ließen Sando frösteln. Er hörte Stadlmeyrs verzweifelten Versuch, sich zu rechtfertigen: „Sollte ich etwa das wertvolle Zeugs dort in der Wüste verderben lassen?!“
    Kalter Schweiß trat dem Jungen auf die Stirn. Die braunen Augen des Engels, die ihn aus dem Helm heraus anvisierten, verwandelten sich zu denen des vermummten Geiselnehmers. Er erstarrte vor dem brennenden Blick, der ihn stumm zur Umkehr aufforderte. Grauen erfasste ihn angesichts der Gewissheit dessen, was nun geschehen würde. Sein Herz pochte immer schneller, zerhackte die Zeit, die ihm bis zu dem tödlichen Schuss noch blieb.
    „Maria!“, schrie er aus Leibeskräften. „Maria!“
    Er spürte, wie ihn jemand schüttelte. „Hör doch auf zu schreien, Bub! Was ist denn los mit dir?“
    Nur langsam kam Sando wieder zur Besinnung. Vor sich sah er Stadlmeyr, dahinter den Engel, die Waffe im Anschlag.
    „Es hat ihn schwer erwischt“, sagte der Wiener über die Schulter zu dem Geflügelten. „Wer weiß, was ihm zugestoßen ist …“
    Er umfasste Sando und führte ihn zum Pavillon. Erschöpft ließ sich der Junge auf einen Teppich fallen.
    Der Engel beobachtete das Geschehen aufmerksam. „Der Junge muss zum Arzt!“, sagte er mit seiner rauen Stimme. „Am Kreuz von Makala liegt das Anwesen von Doktor Fasin. Ich werde einen Helikopter rufen.“
    „Warum solche Umstände, Herr Flugrat?“, erbot sich Stadlmeyr. „In zehn Minuten könnte ich mit der Echse dort sein.“
    Dem Geflügelten schien die Sache nicht geheuer. Doch nach einigem Zögern sagte er: „Gut. Richten Sie Doktor Fasin aus, dass der Junge morgen früh um zehn in der Behörde zu erscheinen hat!“
    „Selbstverständlich, Herr Flugrat“, dienerte Stadlmeyr, „er wird pünktlichst abgeliefert. Dafür verbürge ich mich.“
    Der Engel nahm es kommentarlos hin und wandte sich Sando zu. „Ich wünsche dir gute Besserung, Junge, und viel Glück mit der Sixtinischen Madonna.“
    „Sie kennen sie?“, fragte Sando erstaunt.
    „Sogar die Details“, antwortete der Geflügelte und in seinen Augen glomm ein Fünkchen. „Ist dir schon aufgefallen, dass der Himmel hinter der Madonna aus lauter Engelsköpfen besteht?“
    Ohne die Antwort abzuwarten, erhob er sich gravitätisch in die Luft. Und im Davonschweben rief er noch: „Ach, übrigens, Herr Stadlmeyr, uns interessiert brennend, woher Sie das Retamin für ein solches Monster haben. Sie hören von uns!“ Unverzüglich rauschte er davon und man merkte ihm das Bemühen an, möglichst schnell aus Josis Reichweite zu gelangen, denn das Tier verfolgte mit flinken Augen das ansehnliche Flugobjekt.
    „Mistkerl!“, sagte Stadlmeyr erbittert und schaute dem Engel nach.
    „Er kannte die Madonna“, merkte Sando an.
    „Ach geh, Bub, was besagt das schon?!“ Der Wiener zermalmte wütend einen Kartoffelchip zwischen den Zähnen. „Magst du auch einen?“
    Sando wehrte ab.
    „Na, dann will ich dich mal zum Doktor bringen. Ich nehme an, dort kriegst du was Rechtes zum Kauen.“

DOKTOR FASIN
    Tatsächlich dauerte es keine zehn Minuten, bis hinter einer Hügelkette ein Anwesen auftauchte, das von einem hohen, wenig einladend wirkenden Mauerring umgeben war. Doch vom Rückenkamm der Echse aus war es Sando ein Leichtes, darüber hinweg zu blicken. Er sah einen Park mit saftig grünen Bäumen und mit Wegen, die gesäumt waren von Blumenrabatten. Mitten auf einer gepflegten Wiese lud ein Pool mit hoch aufschießenden Fontänen und Wasserspielen zum Baden ein. Große Sonnensegel warfen lange Schatten auf Rasen und Wasserfläche. Und im Hintergrund des Parks lugte aus dem Grün ein Schloss hervor, dessen Stil Sando an die Barockbauten seiner Heimatstadt erinnerte.
    „HAAALT!“, rief Stadlmeyr. Das Schaukeln hörte auf. Die Aussicht auf etwas Essbares trieb Sando hoch. Bereitwillig stellte er sich zu Stadlmeyr, dessen Schweißgeruch sich nun mit seiner Alkoholfahne mischte. Die Zunge des Monsters beförderte die beiden Reisenden wieder hinab auf festen Boden.
    „Josi, bleib da!“, rief der Wiener.
    Die Echse erstarrte. Einzig die Augen blieben in Bewegung.
    Sando und Stadlmeyr liefen auf ein

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