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Katharsia (German Edition)

Katharsia (German Edition)

Titel: Katharsia (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Magister
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großes, wuchtiges Tor zu. Trotz der grünen Farbe wirkte es durch seine Schmucklosigkeit ebenso abweisend wie die Mauer aus rotem Naturstein. Ohne dass sie sich bemerkbar gemacht hätten, öffnete sich ein schwerer Torflügel. Josis wummernder Tritt hatte ihr Kommen offenbar angekündigt. Ein Bärtiger in langem, weißem Kaftan erschien, musterte Sando mit einiger Verwunderung und begrüßte dann Stadlmeyr mit einer leichten Verbeugung, die etwas Überhebliches ausstrahlte.
    „Grüß Gott, Kazim“, sprach ihn der Wiener auf Katharsisch an. „Bring uns zu Doktor Fasin.“
    Der Bärtige machte eine abwehrende Geste. „Der Herr Doktor lässt ausrichten, er werde Sie nicht empfangen.“ Während er dies sagte, warf er einen missbilligenden Blick auf die Echse, die eben damit beschäftigt war, ihren Schwanz an der Mauer des Anwesens entlang auszurollen, alles platt walzend, was dort an dürren Sträuchern mühsam gewachsen war.
    „Richte ihm aus“, sagte Stadlmeyr, „ich hätte einen Notfall hier. Den wird er als Arzt doch nicht zurückweisen wollen.“
    Kazim verschwand. Es dauerte einige Minuten, ehe er zurückkehrte. „Der Herr Doktor erwartet Sie, Herr Stadlmeyr, und Ihren Notfall.“
    Der Bärtige musterte Sando skeptisch. Hinter dem Tor wartete ein chromblitzender, schwarzer Oldtimer mit offenem Verdeck. Der Mann im Kaftan öffnete die Tür zum geräumigen Fond des Luxusgefährts. Die Ankömmlinge stiegen ein und der Wagen rollte durch den Park, vorbei am Pool, dessen Fontänen in der Abendsonne golden glitzerten. Sie bogen ein in eine palmengesäumte Allee und erreichten schließlich das Schloss, das Sando schon vom Rücken der Echse aus gesehen hatte. Der Wagen hielt an der großzügigen Freitreppe, die zum Eingangsportal des herrschaftlichen Gebäudes hinaufführte.
    Sie stiegen aus und folgten dem Mann im Kaftan in ein geräumiges Foyer. Geradeaus bot eine großflächige, entspiegelte Glastür Einblick in einen holzgetäfelten Raum. Sando erkannte einen riesigen Globus und Regale mit ledergebundenen Büchern. Links und rechts der Glastür führten zwei Treppen mit gedrechselten Geländern zu einer Galerie hinauf.
    Der Mann im Kaftan bedeutete ihnen, im Foyer zu warten, während er ging, um den Besuch zu melden.
    Stadlmeyr und Sando ließen sich in die Ledersessel fallen, von denen ein halbes Dutzend herumstand. Sando blickte durch ein Fenster in den Park hinaus. In der Ferne sah er die Mauer mit dem Tor, durch das sie gekommen waren. Dahinter ragte Josi auf wie ein Berg.
    „Na, Herr Stadlmeyr? Mal wieder als Großprotz unterwegs?“
    Die Stimme kam von der Galerie. Sando hob den Kopf und erblickte einen Mann, der einen roten Kaftan aus einem matt glänzenden, edel wirkenden Stoff trug, in den feine Goldfäden hineingewebt waren. Unter einem Turban, der aus dem gleichen Material zu bestehen schien, sahen braune Augen hervor, die eine Mischung aus Verachtung, Ärger und Spott ausdrückten. Die Gesichtshaut des Doktors war im Kontrast zu seiner orientalischen Erscheinung merkwürdig blass.
    „Was heißt hier Großprotz , Herr Doktor? Josi braucht auch mal Auslauf“, verteidigte sich Stadlmeyr.
    „Es ist mir gleich, was dieses Monstrum braucht. Es gefällt mir nicht, Herr Nachbar, dass Sie mit diesem wandelnden Fleischberg hier auftauchen.“
    Doktor Fasin verließ nun seinen Platz auf der Galerie und kam die Treppe herunter. Als er auf die beiden zutrat, sagte Stadlmeyr zu Sando: „Das ist Doktor Ahmad Fasin, ein berühmter Arzt.“ Und nach einer kurzen Pause setzte er hinzu: „In dieser Gegend jedenfalls …“
    Er lachte laut über den kleinen Spaß. Doktor Fasin verzog hingegen keine Miene. Mit seiner feingliedrigen Hand, von der dezent ein exotischer Duft ausging, fasste er Sando unter das Kinn, drückte seinen Kopf nach oben und sah ihm prüfend ins Gesicht.
    „Ein ansehnliches Bürschchen, das Sie da bei sich haben, Herr Stadlmeyr. Wie heißt du denn, mein Junge?“
    Sando war diese Berührung unangenehm. Auch wenn er Arzt ist , dachte er, muss er mir nicht so unverfroren auf meine Narbe starren.
    Er entwand sich dem Griff, ging einen Schritt zurück und sagte mit einigem Trotz in der Stimme: „Sando. Sando Wendelin.“
    Doktor Fasin schien ein wenig überrascht von der Reaktion des Jungen und Stadlmeyr beeilte sich zu erklären: „Ich hab ihn halb verdurstet in der Wüste gefunden. Der Bub ist ziemlich verwirrt und schwach.“
    Der Doktor musterte Sando wieder eingehend. Doch diesmal blieb

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