Katharsia (German Edition)
„Der Präsident muss davon erfahren! Sofort!“
Entschlossen stiefelte er auf den Interkontinentalgleiter zu.
„Wer weiß, was Kamlan vorhat …“
Sando, Ben, Gregor und Nabil folgten ihm.
„Hat Wanderer jetzt nichts Wichtigeres um die Ohren?“, gab Sando zu bedenken.
Vitelli nahm in drei Sprüngen die kleine Gangway des Gleiters. Oben angelangt, wandte er sich zu Sando um. „Der Hades hat höchste Priorität, Junge. Wenn dort der Damm bricht, dann …“ Er führte den Gedanken nicht zu Ende, verschwand im Rumpf.
Sandos Vorfreude auf den Presseball war verflogen. Er spürte, in diesen Stunden entschied sich das Schicksal Katharsias. Wie konnte er da feiern? Er betrat den Passagierraum des Gleiters und ließ sich auf den erstbesten Sitz fallen. Neben ihm fragte Ben: „Findet der Ball unter diesen Umständen überhaupt statt?“
Ihn beschäftigte offensichtlich der gleiche Gedanke wie Sando.
„Er findet statt“, rief Vitelli vom Cockpit her, wo er versuchte, eine Verbindung zum Präsidenten herzustellen. „Ihr Freund Massef kann es gar nicht erwarten, uns wiederzusehen.“ Und mit einer Spur Selbstironie setzte er hinzu: „Es wird getanzt – und sei es auf dem Vulkan! Wir Presseleute sind da ziemlich hartleibig.“
Währenddessen hämmerte er ungeduldig auf die Tasten des Funkgerätes ein. „Hallo? … Na endlich! … Hier Vitelli! … Ja, der Moderator … Ich weiß, der Präsident ist beschäftigt, ich muss ihn aber trotzdem … Ausgeschlossen? … Dann richten Sie ihm Folgendes aus … Ja, bitte, notieren Sie! … Hadeschef Kamlan ist dringend verdächtig, für die Seelenretter zu arbeiten … Wie bitte? … Sache der örtlichen Behörden? Da irren Sie sich, meine Dame! Herr Kamlan untersteht ausschließlich dem Präsidenten … Ja, ich bin mir da ganz sicher … Ich beschwöre Sie, Herrn Wanderer in Kenntnis zu setzen! … Versprochen? … Danke!“
Mit einem unwilligen Schnaufen beendete Vitelli das Gespräch.
„Da kommt Feierlaune auf, nicht wahr? Dennoch sollten wir jetzt starten. Vielleicht bringt der Abend neue Erkenntnisse.“
Ben, der mit Doktor Fasin zum Ball fahren würde, verabschiedete sich vorläufig. Nachdem er den Gleiter verlassen hatte, schloss sich mit einem leisen Geräusch die Tür.
Inzwischen war die Sonne hinter dem Horizont abgetaucht. Durch ihren blassen Widerschein kämpften sich die ersten Sterne. Der Gleiter hob ab. Bis zum Zielort war es für ihn ein Katzensprung. Sekunden nach dem Abflug verharrte er über einer Halle, die aus Tausenden farbigen Lampions zu bestehen schien.
Sando schaute neugierig in die Tiefe. Ihm fiel eine hell erleuchtete Schneise auf, die sich weitläufig um die Halle herum zog. Dort waren offenbar Sicherheitskräfte im Einsatz, die das Areal abschirmten.
Plötzlich schlug grelles, kaltes Licht durch die Fenster herein. Scheinwerfer hatten den Gleiter erfasst und ließen ihn nicht mehr los, bis sein Sinkflug auf dem Platz vor dem repräsentativen Eingangsportal des Ballsaales beendet war.
Die Tür sprang auf und laute Musik brach herein, festliche Musik. Sando sah durchs Fenster. Draußen strömten Leute zusammen und bildeten einen Ring um die kleine Gangway.
Vitelli sagte augenzwinkernd zu ihm: „Wenn sie uns mit Beifall empfangen, weil wir prominent sind, ist das die tiefste Provinz.“
„Und wenn sie nicht klatschen?“
„Dann sind sie neidisch auf unseren Erfolg.“
Sando lachte. „Sie können es also nur falsch machen.“
„Genau! Wir geben ihnen keine Chance!“, rief Vitelli launig. „Na denn, hinein ins Getümmel!“ Er trat, ohne zu zögern, in die Türöffnung. Sando hielt sich dicht hinter ihm, vernahm ein Raunen. Vereinzelt klatschte jemand.
Vitelli drehte sich zu Sando um und feixte: „Na ja, es ist nur die halbe Provinz.“
„Und so richtig neidisch sind sie auch nicht.“
Der kleine Spaß half Sando über seine Befangenheit hinweg. Lächelnd schritt er auf den Kreis der Neugierigen zu. Sie traten beiseite und gaben den Weg zum lampiongeschmückten Eingangsportal frei. Das leise gesprochene Wort „Auvisor“ machte die Runde, eilte den Ankömmlingen voraus.
Sando hielt Ausschau nach Massef. Doch nicht er nahm sie in Empfang, sondern ein Mann, der sich als Chefredakteur der „Makala Press“ vorstellte.
„Karim Bin Dschamal“, sagte er und führte sie nach einer überschwänglichen Begrüßung in die Festhalle, in deren Mitte auf einem boxringartigen Podium eine Musikkapelle lärmte. Auf dem Parkett
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