Katharsia (German Edition)
Ihnen noch ein angenehmes Fest.“
Auf sein Zeichen hin setzte die Tanzmusik wieder ein.
Sando verstand die Welt nicht mehr. Was waren das für Leute hier? Fürchteten sie Samuel Wanderer mehr als das KORE? Trotzig erhobenen Hauptes drängte er sich durch die Menschenansammlung. Blicke folgten ihm und seinen Gefährten – verärgerte, hasserfüllte, gleichgültige, hin und wieder auch neugierige und bewundernde. Jemand zischte Sando im Vorbeigehen ins Ohr: „Präsidentenknecht!“
Endlich lichteten sich die Reihen. Karim Bin Dschamal führte sie wortlos an einen freien Tisch und eiste sich dann los: „Bitte entschuldigen Sie mich jetzt. Als Gastgeber muss man leider überall sein. Wir sehen uns sicher noch.“
Und noch ehe sie sich niedergelassen hatten, war er in der Menge der Ballbesucher abgetaucht.
„Was ist hier los?“, regte sich Ben auf. „Begreifen die nicht, wie es um Katharsia steht?“
Vitelli sah bekümmert drein. „Sie wollen Wanderer los sein. Egal, zu welchem Preis.“
Doktor Fasin trat an ihren Tisch. Sein grüner Seidenkaftan schimmerte im Licht der Festbeleuchtung und verlieh ihm eine Aura, die etwas Majestätisches hatte.
„Na, meine Herren? Wie war die Reise von New York?“, fragte er so laut, dass man von den Nachbartischen herübersah. Er reichte Vitelli die Hand, lächelte ihm verständnisinnig zu und nahm neben ihm Platz.
Nabil brummte sarkastisch: „Mit Vitellis Gleiter kommt man so schnell über den großen Teich, dass man meinen könnte, wir wohnten bei Ihnen, Herr Doktor.“
Das verhaltene Lachen, das dieser Bemerkung folgte, veranlasste Doktor Fasin zu fragen: „Schlechte Stimmung? Etwa wegen der paar Pfiffe vorhin? Ich bitte Sie, davon sollten Sie sich den Abend nicht verderben lassen.“
Nabil schüttelte wütend den Kopf. „Diese Leute hier! Sie tanzen, während alles vor die Hunde geht!“
„Wie steht es in New York?“, wandte sich Doktor Fasin an Vitelli. „Wird sich Wanderer halten? Er sitzt arg in der Klemme, nicht wahr? Er hat ja kaum noch jemanden, auf den er zählen kann.“
„Das kann man wohl sagen. Meine letzte Hoffnung ist Professor Strondheim. Der wird ihm sicher den Rücken stärken.“
Diese Mitteilung überraschte den Doktor ebenso wie zuvor schon Sando, Ben, Gregor und Nabil.
„Strondheim? Der Retaminspezialist? Ist er denn freigekommen aus der Haft? In den Nachrichten war keine Rede davon.“
„Man hat mich gebeten, es nicht an die große Glocke zu hängen“, erklärte Vitelli. „Wer weiß, was da zwischen dem Präsidenten und den Richtern gelaufen ist.“
„Und Sie als Pressemann, wollen Sie da nicht nachstoßen?“
Vitelli schüttelte entschieden den Kopf. „Ich werde mich hüten, in dieser Situation zur Jagd auf den Präsidenten zu blasen.“
„Verstehe …“ Doktor Fasins Gesicht verzog sich zu einem dünnen Lächeln. „Vitelli, der unabhängige Journalist, sagt nur die Wahrheit, wenn sie ihm genehm ist.“
Sein Tonfall hatte etwas Herablassendes.
„Halten Sie davon, was Sie wollen, Herr Doktor“, erwiderte Vitelli ungerührt. „Im Moment gewähre ich dem Präsidenten eine gewisse Schonzeit. Ich trete niemanden, der schon am Boden liegt.“
„So dramatisch schätzen Sie die Lage ein?“
„Ja, leider“, gab Vitelli zu.
„Wie geht es eigentlich Djamila, Her Doktor?“, wollte Sando wissen.
Der Doktor sah ihn über den Tisch hinweg besorgt an. „Es geht ihr nicht gut. Leider. Gern hätte ich Fatima … äh … Djamila zum Ball mitgebracht, aber daran ist gegenwärtig nicht zu denken. Außer mir, dem Seelenarzt, will sie niemanden sehen. Sie lässt niemanden an sich heran. Das kann noch dauern.“
Ben nickte kummervoll.
Ein Bediensteter brachte Getränke. Während er Tassen, Gläser und zwei Krüge auf den Tisch stellte, sagte er: „Wenn Sie speisen wollen, meine Herrschaften, bemühen Sie sich bitte ans Buffet.“
Damit rauschte er wieder davon.
„Mir ist der Hunger vergangen“, knurrte Nabil, den die Pfiffe und Buhrufe immer noch grämten.
„Aber nicht doch“, sagte Doktor Fasin aufmunternd. „Es gibt vorzügliche Sachen, die werden Sie doch nicht verschmähen wollen.“ Er stand auf. „Also ich bin so frei und hole mir etwas.“
Ben wollte sich ihm anschließen, als sich plötzlich mit einem aufdringlichen Piepen sein Telefon meldete. Mit einer Miene des Bedauerns sah er den Doktor an.
„Aber bitte, Herr Hakim, ich warte. So viel Zeit muss sein.“
Ben bedankte sich und rief nach einem Blick
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