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Katharsia (German Edition)

Katharsia (German Edition)

Titel: Katharsia (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Magister
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kopfschüttelnd an. „Vielleicht hätte ich diesen Kreuzritter längst gefunden.“
    „Ja, schade“, sagte Sando, den die verpasste Gelegenheit wurmte. „Ich habe nicht daran gedacht, weil mich Kamlan so gelöchert hat wegen seiner blöden Inspektion. Aber wir haben den Tag wenigstens genutzt, uns auch einmal die Baustelle anzusehen. Die Dimensionen sind beeindruckend.“
    „Nicht wahr? Ich bin auch jedes Mal bewegt, wenn ich vor Ort bin.“
    „Wir haben Sie gesehen. Sind Sie oft dort?“
    „Na ja, so oft es geht. Ich kümmere mich ein wenig darum, dass ausreichend Raum geschaffen wird. Das entspannt die Situation hier unten. Ein kluger Arzt baut vor. Besonders jetzt, seit du diesen Seelenbrei entdeckt hast, Sando. Die Frage ist, wohin damit. Die Wachmannschaft hat vorübergehend eine Zelle geräumt und die prallvollen Filtersäcke aus den Saugern hineingestapelt. Ich muss gestehen, dass mir nicht wohl dabei ist. Keiner weiß, was aus solchen Fragmenten, Gedankenfetzen und Erinnerungssplittern, zusammengepfercht auf engstem Raum, erwachsen könnte. Es wäre ratsam, sie mit aller Vorsicht zu verwahren. Ich sehe da ein neues Platzproblem auf uns zukommen. Es muss eine Lösung her. Leider sieht Direktor Kamlan keinen Handlungsbedarf.“
    „Aber Sie, Herr Doktor, haben zweihundert Meter mehr in Trakt D durchgesetzt. Alle Achtung!“, meinte Nabil.
    „Ohne die großzügige Unterstützung meines Freundes Jamal al Din wäre das nicht möglich gewesen“, wehrte Doktor Fasin bescheiden ab.
    Ihm entging nicht, dass sich Sandos Stirn umwölkte, als er den Namen des Mannes hörte, der mit Maria zusammenlebte.
    „Du kannst ihn nicht ausstehen, nicht wahr?“, sagte der Doktor. „Aber glaub mir, Jamal al Din ist besser, als du denkst. So uneigennützig, wie er mir hier geholfen hat – wo findest du so etwas ein zweites Mal?“
    Uneigennützig? Wer weiß, was wirklich dahintersteckt , dachte Sando, doch er sagte nichts, denn er fühlte sich nicht besonders wohl in seiner Voreingenommenheit. Außerdem lag ihm noch etwas anderes auf dem Herzen, etwas, was er mit dem Doktor besprechen wollte: seine Begegnung mit Marias Mörder.
    Er sprach das Thema aber erst an, als sie nahe beieinander in der Gondel saßen und durch den dunklen Felsenschacht aufwärts fuhren. Bedrückt erzählte er von seinem Hass, der es ihm unmöglich machte, Mitleid mit der gefolterten Seele zu empfinden. Er gestand, dass es ihm Genugtuung bereitete, Jussuf Mahmoud in einer solchen Lage zu wissen, und dass er hoffte, die Qualen des Gotteskriegers nähmen kein Ende.
    „Deine Gefühle sind verständlich“, sagte der Doktor, nachdem er aufmerksam zugehört hatte. „Lass sie zu! Du musst dich nicht dafür schämen.“
    Tageslicht schlug herein. Kurz darauf spie der Berg die Gondel aus. Sie überquerte den Abgrund, glitt auf die Bahnstation zu, die wie ein Schwalbennest in der gegenüberliegenden Felswand hing. Sando blickte zurück in den schwarzen, zähnefletschenden Schlund, aus dem sie gekommen waren. „Es ist merkwürdig, zu wissen, wo ich ihn finden kann …“, sagte er.

DER PRESSEBALL
    Noch war die Sonne nicht untergegangen. Ein glühender Flammenstreif lugte über die Mauer des Anwesens von Doktor Fasin und projizierte Bäume und Sträucher der Oase als langgezerrte Schemen auf Wege und Rasenflächen. Das übermannshohe Schöpfwerk des rustikalen Brunnens auf der Wiese vor dem Schloss warf seinen Schatten bis zur Freitreppe am Eingangsportal. Auf der obersten Stufe erschien Sando – geschniegelt und gebügelt mit Anzug, Hemd und Krawatte – und schaute befangen drein. Die Kleidung, die ihm Kazim bereitgelegt hatte, war ungewohnt. Am Hals fühlte er sich eingeengt, wohingegen der Stoff der Hose so weich um seine Beine schlackerte, dass er als passionierter Träger enger Jeans das Gefühl hatte, unten herum nackt zu sein. Linkisch stieg er die Stufen hinab und folgte dem Schatten bis zum Brunnen, wo Ben, Gregor und Nabil bereits auf ihn warteten. Auch sie waren festlich gekleidet. Ben und Nabil trugen seidene Kaftane und auf dem Kopf einen Turban. Gregor steckte wie Sando in einem Anzug. Die drei nahmen es aber offenbar mit größter Selbstverständlichkeit.
    „Hallo“, sagte Sando einsilbig.
    Mehr als ein Nicken bekam er nicht zurück. Die Gefährten würdigten seine Aufmachung keines Blickes. Erwartungsvoll blinzelten sie in den roten Abendhimmel. Gleich musste Vitellis Interkontinentalgleiter auftauchen.
    Ben konnte nicht mit ihnen

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