Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Katharsia (German Edition)

Katharsia (German Edition)

Titel: Katharsia (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Magister
Vom Netzwerk:
rechnen.
    Der Gleiter nahm wieder Fahrt auf. Zufrieden wandte sich der Doktor an die drei unfreiwilligen Gäste. „Ich glaube, es ist von Vorteil, Ihnen die Situation klarzumachen, in der Sie sich jetzt befinden. Erstens: Wir sind hier alle miteinander eingeschlossen. Und auch dem Stärksten wird es nicht gelingen, das gepanzerte Glas der Fenster zu durchbrechen.“
    Er blickte Nabil an, der verbissenen Gesichtes die Fäuste ballte.
    „Zweitens: Die Steuerung reagiert nur auf meine Stimme. Wenn Sie also gedenken, mich unterwegs aus dem Weg zu räumen, müssen Sie wissen, dass Sie das Mobil nicht vom eingeschlagenen Kurs abbringen können. Der Vorteil dieser Situation: Wir können uns gegenseitige Gewaltandrohungen ersparen und, wenn Sie mögen, in Ruhe miteinander sprechen, wie es kultivierten Menschen geziemt.“
    Wie er redet , dachte Sando angewidert. Ihm kam Denises Vater in den Sinn, dessen qualvolles Sterben infolge medizinischer Experimente er beim Brainscreening in Paris miterlebt hatte. Nun stellte sich heraus, dass Doktor Fasin diese Ungeheuerlichkeiten begangen hatte.
    „Kultivierte Menschen …“, murmelte Sando bitter.
    Doktor Fasin hob den Kopf. „Wie bitte? Hast du etwas gesagt?“
    „Nein“, wehrte der Junge schroff ab. Er verspürte keine Lust auf eine „kultivierte“ Unterhaltung mit diesem Menschen und blickte an ihm vorbei durch das Panzerglas nach draußen, wo sich die Sandwolken allmählich wieder verzogen. Über dem Gleiter, der unaufhaltsam dem Kurs zur Festung Makala folgte, kamen erste Himmelsfetzen in Sicht.
    „Was haben Sie mit uns vor?“, fragte Gregor.
    „Es wird Sie nicht überraschen, dass ich mich gezwungen sehe, Sie in Gewahrsam zu nehmen. Bisher galt ich dem Präsidenten als unverdächtig. Leider ist es nun vorbei damit. Ich muss gestehen, Sie sind mir schneller auf die Schliche gekommen, als es mir lieb ist. Ein paar Tage mehr wären gut gewesen. Nun muss ich ein wenig umdisponieren. Aber sei es drum …“
    „Ein paar Tage mehr? Wozu?“
    „Zur Vorbereitung auf das große Finale. Ach nein, was sage ich? ,Finale‘ ist das falsche Wort. Für den Neubeginn!“
    Etwas Träumerisches geriet in Doktor Fasins Züge. Er blickte hinaus. Die Luft hatte sich aufgeklart. Bis auf einen trüben Fleck am Horizont deutete nichts mehr auf die rollenden Panzer hin.
    „Der Aufmarsch wird ihm nichts nützen“, murmelte Doktor Fasin für sich. Der Gleiter hatte inzwischen normale Fahrt aufgenommen. Kein unsicheres Vorantasten mehr. Durch den erzwungenen Umweg über das Kreuz von Makala hatte Sando jegliche Orientierung verloren. Draußen zog die typisch ziegelrote Landschaft mit den grünen Punkten vorbei. Wie Omas Schürze , dachte Sando und wunderte sich über sich selbst, weil ihm ausgerechnet jetzt dieser Vergleich wieder einfiel. Zum ersten Mal hatte er ihn im Bus Maria gegenüber gebraucht. Er sah sie jetzt ganz deutlich. Sie saß neben ihm, lachte, weil sie Sandos Eingebung ausgesprochen drollig fand: Omas Schürze! Sie kicherte und knuffte ihn. Er wehrte sich, fasste ihre Hände, spürte ihre Haut. Nie war er ihr so nahe gewesen wie in dem Augenblick, da das Unglück über sie hereinbrach. Und jetzt? Was stand ihnen jetzt bevor? Was war von dem Arzt zu erwarten, der auf der Erde mit Menschen experimentiert hatte und in Katharsia zu den Seelenrettern gehörte?
    Ähnliche Gedanken schienen auch Gregor zu bewegen, denn er fragte Doktor Fasin auf den Kopf zu: „Sind Sie wegen Ihrer Menschenversuche auf der Erde je belangt worden, Herr Doktor … äh … Professor Sindelfang?“
    Der Doktor zog unwillig die Brauen hoch und sagte steif: „Bleiben wir bei Doktor Fasin, nur der Einfachheit halber. Man kennt mich in Katharsia unter diesem Namen. Was Ihre Frage betrifft: Man wollte mich vor Gericht stellen, aber ich fand freundliche Aufnahme in einem anderen Land.“
    „Über die moralische Verwerflichkeit Ihrer Experimente müssen wir uns unter kultivierten Menschen sicher nicht unterhalten“, sagte Gregor angriffslustig.
    „Moral …“, echote Doktor Fasin gedehnt. „Die geltende Moral ist doch nur ein Korsett aus Wertevorstellungen, die der Mittelmäßigkeit des Normalbürgers entspringen. Die Eliten haben die Pflicht, diese Grenzen auszuweiten, sonst gäbe es keinen Fortschritt.“
    „Sie sehen sich auf der Seite des Fortschritts, wenn Sie Menschen zu Tode quälen?“, fragte Gregor ungläubig. „Das ist doch der beste Beweis dafür, dass moralische Grenzen vonnöten

Weitere Kostenlose Bücher