Katharsia (German Edition)
Fasin einen Nachrichtenkanal ein. Auf das Thema, das ihn interessierte, musste er nicht lange warten. Auf dem Bildschirm am Armaturenbrett erschien das Foto des Präsidenten, während der Sprecher mitteilte: „New York. Präsident Samuel Wanderer hat das Ultimatum der Seelenretter verstreichen lassen und den Einsatz großer Kontingente der Gefahrenabwehr zur Sicherung strategisch wichtiger Punkte Katharsias befohlen. Dazu gehören unter anderem das Regierungsviertel mit dem Präsidentenpalast, Banken und Flughäfen. Als neuralgischer Punkt gilt auch der Hades …“
„Sieh einer an …“, kommentierte Doktor Fasin. „Er zeigt Zähne. Das hätte ich ihm gar nicht zugetraut. Du kennst doch auch den Schattenhain, dieses sentimentale Mahnmal, das er hat errichten lassen, oder?“
„Ja“, sagte der Junge einsilbig und starrte auf das Foto von Heide Brandau, das der Bildschirm nun zeigte.
„Über das Schicksal von Heide Brandau ist indes nichts bekannt. Terrorexperten sind sich jedoch einig, dass die Seelenretter ihre Drohung, die Ermordung der Geisel, nun wahrmachen werden.“
„Er hat sie geopfert“, bemerkte Doktor Fasin lakonisch. „Der Präsident ist zu einem Schatten in seinem Hain geworden. Auch ihm ist die Machterhaltung wichtiger als ein Menschenleben. Am Ende sind sie doch alle gleich.“
Mit einem verächtlichen Grinsen schaltete er die Nachrichten wieder ab. Sando musste sich zwingen, nichts darauf zu erwidern. Wie konnte Doktor Fasin, der Seelenretter, sich ein solches Urteil anmaßen?!
Plötzlich spürte er das Summen des Mobiltelefons in seiner Hosentasche. Er zog es heraus. „Hallo, hier Sando Wendelin.“
Zuerst hörte er ein starkes Hintergrundgeräusch. Dann schrie eine hektische Frauenstimme: „Sando? Hörst du mich?“
Instinktiv hielt er das Telefon auf Abstand.
„So melde dich doch! Es eilt! Hier ist Denise!“
Doktor Fasin warf einen überraschten Seitenblick.
„Hallo, Denise!“, antwortete Sando.
„Ein Glück!“
Denises Stimme klirrte so laut aus dem kleinen Gerät, dass alle Insassen im Gleiter es hören konnten.
„Hat Ben euch meine Warnung ausgerichtet?“
„Wir haben ihn seit gestern nicht gesehen.“
„Oh nein!“ Denise schien verzweifelt. „Also, hör gut zu, Sando! Ich muss gleich Schluss machen, weil sie hinter mir her sind!“
„Was sagst du da? Wer ist hinter dir her?“
„KORE-Leute, Seelenretter, was weiß ich?!“, schrie Denise aufgelöst.
„Aber wieso …“, setzte Sando an.
„Hör doch mal zu, verdammt! Mein Vater hat Professor Sindelfang auf einem Zeitungsfoto wiedererkannt – du weißt schon, den Arzt, der ihn für Experimente missbraucht hat. Es ist Doktor Fasin! Ihr müsst euch vor ihm in Acht nehmen!“
„Wie bitte? Was sagst du da?“ Sandos Hirn war wie blockiert.
„Er gehört zu den Seelenrettern!“, schrie Denise.
Plötzlich zogen die Gurte an. Der Gleiter hatte hart gestoppt.
Die Blicke Sandos und des Doktors trafen sich, während es aus dem Mobiltelefon blechern kreischte: „Sando, hörst du mich? Wo habt ihr Ben gelassen? So melde dich doch! Sando!“
Von hinten kam Gregors Hand. Er nahm das Telefon an sich.
„Denise?“, sagte er ruhig.
„Gregor?“, kam es zurück. „Da seid ihr ja noch! Gott sei Dank!“
„Er hat alles mit angehört, Denise.“
„Wen meinst du? So rede doch!“
„Doktor Fasin.“
Auf der anderen Seite wurde es still. Nur das Hintergrundgeräusch knackte und zischte aus der winzigen Lautsprecheröffnung.
„Mach’s gut, Denise.“
Gregor unterbrach die Verbindung. Die Stille schmerzte.
„Nun gut, dann hätten wir ja Klarheit“, ließ sich Doktor Fasin als Erster vernehmen. „Sie gestatten, dass ich nun meine Vorkehrungen treffe, Sie sicher ans Ziel zu bringen.“
Und noch ehe Sando, Gregor oder Nabil etwas unternehmen konnten, rief er dem Bordcomputer zu: „Notfalloption!“
Türverriegelungen klackten und über die Instrumententafel schob sich eine Schutzscheibe.
„Notfalloption aktiviert“, meldete die Automatik.
Daraufhin befahl Doktor Fasin dem Navigationssystem: „Festung Makala!“
Als Sando dies hörte, krampfte sich in ihm alles zusammen. An diesen ominösen Ort hatten ihn KORE-Leute schon einmal verschleppen wollen. FESTUNG MAKALA! Der Befehl des Helikopterpiloten klang ihm bis heute in den Ohren. Nur durch eine Katastrophe, den Absturz des Hubschraubers, hatten er und Denise damals entkommen können. Mit so viel Glück konnte er schwerlich ein zweites Mal
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