Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Katharsia (German Edition)

Katharsia (German Edition)

Titel: Katharsia (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Magister
Vom Netzwerk:
liebsten so tief, dass er sie nie mehr wiederfand, nun so grotesk im Rückwärtsgang sehen musste, machte ihn zornig. Er wollte das geflügelte Wesen zurechtweisen, doch inzwischen waren diese und andere Szenen längst vorbei. Als Denise den Film anhielt, hatte auch sie wieder Tränen in den Augen, heulte wie ein Schlosshund. Das Standbild zeigte Mike Lemming, den Jungen, der Sando immer mit dem Ruf „Hasenscharte!“ verfolgt hatte. Er balancierte auf den Stahlseilen über dem Schwarzen See und blickte den Betrachter des Filmes aus dem Monitor heraus hasserfüllt und angstvoll an.
    Denise ließ jetzt den Film vorwärts laufen.
    Sando schloss die Augen und hob die Hände vor das Gesicht. Nein, er wollte nicht schon wieder sehen, wie Mike Lemming im See versank, wie die aufsteigenden Blasen allmählich aufhörten zu blubbern. Er hörte Denise schluchzen und dann ihre Worte: „Über deine Schuld oder Unschuld … war sich die Kommission … nicht einig.“
    Sando hielt die Augen geschlossen. Das Krachen eines weiteren Kekses signalisierte ihm schließlich, dass Denise die Vorführung des Filmes abgebrochen hatte.
    „Es waren nur zwei Gegenstimmen.“
    Sie wollte ihn offenbar trösten.
    Er wagte einen Blick. Ihr Gesicht war nun völlig aufgelöst, die Augen rot, die Wimperntusche gleichmäßig bis hinter die Ohren verteilt.
    „Es ist ein Scheißjob“, sagte sie nur und schob das Keksglas mit einer fahrigen Bewegung weit von sich.
    Innerlich aufgewühlt saßen sich nun beide gegenüber, mit klopfenden Herzen und bohrenden Gedanken.
    „Haben Sie den Film vollständig gesehen?“, unterbrach Sando das Schweigen, „Oder kennen Sie nur die Szene vom Schwarzen See?“
    Denise schaute ihn mit ihren kugelrunden Engelsaugen an. „Ich habe alles gesehen“, sagte sie knapp.
    „Dann wissen Sie auch von Maria … ich meine, dass sie gemeinsam mit mir gestorben ist.“
    Denises Augen begannen wieder feucht zu werden. Sie nickte stumm.
    „Sie müsste also gleichzeitig mit mir hier angekommen sein. Wissen Sie nichts von ihr?“
    Denise begann schniefend, auf die Tasten ihres Computers einzuhämmern. Auf dem Bildschirm an der Wand erschienen Namenslisten. „In dieser Liste sind alle Seelen aufgeführt, die in Katharsia eingetroffen sind und deren Lebenslauf zur Überprüfung vorlag.“
    „Dort ist sie! Maria Kromberg!“, rief Sando freudig. „Ihr Kokon lag im Planquadrat B17.“ Das Herz schlug ihm bis zum Hals.
    Denise freute sich mit ihm. „Jetzt wissen wir schon mal, dass ihre Seele da ist“, sagte sie und bearbeitete weiter die Tastatur.
    Eine andere Liste erschien.
    „So – und das sind die Namen derer, um die ich mich kümmern muss, weil ihre Aufnahme in Katharsia genehmigt ist.“
    Sie scrollte die Liste durch. Eine Maria Kromberg war nicht dabei. Unter dem Datum des Vortages war nur Sandos Name verzeichnet.
    „Ich verstehe das nicht!“, sagte der Junge. „Es gibt überhaupt keinen Grund, dass sie die Genehmigung nicht bekommt. Selbst ich – mit dem Vorfall am Schwarzen See – bin aufgenommen worden.“
    „Es könnte immerhin sein, dass sie vor dir etwas verborgen hat …“, warf Denise ein.
    Sando widersprach heftig und sie gab ihm Recht: „Ehrlich gesagt, halte auch ich das für eher unwahrscheinlich.“
    Sie lehnte sich so heftig zurück, dass ihr Stuhl einen halben Meter vom Schreibtisch wegrollte. In ihrem Kopf arbeitete es.
    „Ich habe mich gestern schon gewundert. Ich hätte schwören können, auch dein Name, Sando, war in der Liste der willkommenen Seelen nicht aufgeführt. Er tauchte erst auf, nachdem ein Engel der Gefahrenabwehr bei mir angerufen und nach dir gefragt hatte.“
    Sie stutzte und schlug sich dann mit der Hand an die Stirn. „Ich habe also gar nichts verschlampt! Ich konnte dich gar nicht in Empfang nehmen, weil du längst in der Wüste unterwegs warst, als ich von deiner Ankunft erfuhr!“
    Denise wurde munter. „Es gibt nur eine Erklärung!“, rief sie. „Da unterschlägt jemand die Meldungen, die für mich bestimmt sind! Wer weiß, wie viele Neuankömmlinge das Ganze schon betrifft?!“
    Sie sprang auf, fischte mit zittrigen Fingern einen Keks aus dem Glas und rief: „Aber warum?“
    Auch Sando überlegte. Was konnte jemand mit einem Neuankömmling anstellen, der von Katharsia nicht die geringste Ahnung hatte? „Vielleicht geht es um willige Arbeitskräfte? Diener? Sklaven?“
    „Könnte sein, aber …“
    Denise fand das nicht überzeugend. Mechanisch führte sie die

Weitere Kostenlose Bücher