Katharsia (German Edition)
Hand mit dem Gebäck zum Mund.
Gleich beißt sie zu , dachte Sando, und das Glücksgefühl beschert ihr dann eine bessere Idee.
Doch der Keks verharrte vor den bereits geöffneten Lippen.
„Ich hab’s!“, rief Denise und ihre Stimme ging in ein Flüstern über, während sie sich umsah, als würde sie jemand belauschen.
„Retamin“, raunte sie Sando ins Ohr und zerbröselte das Gebäck in ihrer Hand. „Sie sind scharf auf das Retamin, das jeder willkommenen Seele zusteht. Auf dem Schwarzmarkt wird es teuer gehandelt. Und hier im Hause gibt es lauter schlecht bezahlte Beamte …“
„Wollen Sie damit sagen, dass Maria einem korrupten Beamten zum Opfer gefallen ist?“
„Man kann es nicht ausschließen. Aber sei ganz ruhig, Sando, eine Seele kann man nicht töten, nur verhindern, dass sie Gestalt annimmt. Wir wissen, dass Marias Seele in Katharsia ist – und wir werden sie finden!“
„Aber wie?“ Sando war verzweifelt.
„Das kann ich dir auch noch nicht sagen. Auf jeden Fall werde ich die Sache sofort bei der Gefahrenabwehr anzeigen.“
Sie ließ sich in ihren Stuhl fallen, rollte an den Schreibtisch heran und angelte sich die Tastatur. Auf dem Schirm an der Wand erschien der Briefkopf ihrer Behörde mit dem Wappen Katharsias. Denise begann eifrig, mit den Tasten zu klappern. Sie schrieb unglaublich schnell, obwohl sie nur die Zeigefinger einsetzte.
Sando schaute nervös zu. „Und ich? Was kann ich tun?“
„Am besten gar nichts. Du bist neu hier und könntest dich leicht in Gefahr bringen.“
Sando schnellte hoch und lief wie ein gefangener Tiger im Büro auf und ab.
Denise schob ihm die Keksdose hin. „Beruhige dich doch!“, flehte sie mit feuchten Augen. „Deine Verzweiflung ist so ansteckend.“
Sando winkte ab, ihm war jetzt nicht nach Keksen zumute.
Denise hämmerte weiter auf die Tasten ein. Sandos Zustand ging ihr sichtlich an die Nieren.
„So, fertig! Und ab die Post!“, sagte sie endlich.
Ein letztes Klicken, dann hielt es auch sie nicht mehr auf ihrem Platz. Sie sprang auf und gemeinsam tigerten sie nun rastlos durch das Büro.
„Vielleicht“, dachte Denise laut nach, „sollten wir uns bei passender Gelegenheit einmal dort umsehen, wo Marias Kokon gewesen ist. Könnte ja sein, wir finden einen Hinweis …“
„Planquadrat B17“, sagte Sando.
„Wie bitte?“ Denise hatte nicht verstanden.
„Marias Kokon lag im Planquadrat B17 ... Haben Sie eine Karte?“
„Sie liegt auf dem Schreibtisch, links auf dem Stapel.“
Sando schnappte sich die Landkarte, warf sie in seine Tasche und stürmte aus dem Büro.
„Warte! Ich muss noch einige Punkte mit dir klären!“, rief Denise und holte ihn nur mit Mühe im Gang ein.
„Was für Punkte?“, fragte Sando, ohne seinen Schritt zu verlangsamen.
Denise trippelte keuchend hinter ihm her, heftig mit ihren kleinen Flügeln schlagend, sodass sie zuweilen fast abzuheben schien. „Du brauchst einen Pass. Außerdem stehen dir noch Kleidung und Geld zu … als Erstausstattung … und ein Flugticket in deine Heimatstadt.“
Sando blieb abrupt stehen. „Nach Dresden?“ Doch es dauerte nur eine Sekunde, bis er entschied: „Was will ich dort? Maria ist hier!“
Rasch lief er weiter.
Denise nahm flügelschlagend die Verfolgung auf. „Ich kann doch nicht so mir nichts dir nichts hier abhauen! Sando, bitte!“
„Dann fahre ich eben allein! Können Sie mir etwas Geld für ein Taxi leihen?“
Sando stürmte voraus und wollte an der Wache vorbei, doch die gepanzerten Engel versperrten ihm den Weg. Einer wandte sich an Denise, die schnaufend nachgeflattert kam: „Alles in Ordnung, Madame Denise?“
Sie setzte trotz ihrer Luftknappheit ein charmantes Lächeln auf und flötete: „Nicht ganz, Jungs. Dieser junge Herr möchte partout auf das Geld verzichten, das ihm zusteht. Vielleicht habt ihr ja bessere Argumente als ich?“
Die Kampfengel grinsten und einer sagte: „Ich bin der festen Überzeugung, dass der Junge brav sein wird, Denise, denn ich glaube nicht, dass er unsere Argumente kennenlernen möchte.“
Sando war wütend, aber er fügte sich.
Denise war schon auf dem Weg zur Kasse. Unter dem Gelächter der Engel trottete er ihr nach. Zu seinem Geld kam er überraschend schnell. Er unterschrieb ein Formular und bekam einen Plastikchip.
„Da sind 500 Kat drauf“, sagte Denise. „Für den Anfang nicht schlecht.“
Sando konnte den Wert, den er da in den Händen hielt, nicht einschätzen. Aber es interessierte ihn
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