Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Katharsia (German Edition)

Katharsia (German Edition)

Titel: Katharsia (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Magister
Vom Netzwerk:
wurde die Fahrt etwas ruhiger.
    „Nun, die Engel sind Wunschwesen, geschaffen allein durch menschliche Vorstellungskraft“, nahm Doktor Fasin den Gesprächsfaden wieder auf.
    „So, wie Stadlmeyrs Echse?“
    „Genau. Und solche Schöpfungen haben keine eigene Seele. Sie entsprechen immer dem Willen dessen, der sie geschaffen hat.“
    „Aber wer wünscht sich denn solch einen strengen Engel?“
    „Nun, die Engel sind etwas ganz Spezielles, denn sie sind den Militärs vorbehalten. Es gibt dort Spezialisten, die ausschließlich damit beschäftigt sind, flugfähige Kampfmaschinen mit solchen Eigenschaften hervorzubringen, die einen guten Soldaten auszeichnen: Muskelkraft, Tapferkeit, Unbestechlichkeit und Treue. Aber im Prinzip kann sich jeder, der über ausreichend Retamin verfügt, ein Wesen schaffen, das seinen Wünschen entspricht. Die so Gezeugten sind meist perfekter als deren Schöpfer, nur haben sie keine Seele.“
    Doktor Fasin sah Kazim am Steuer vielsagend an.
    Trotz seiner Bemühungen, den Wagen in der Spur zu halten, bemerkte der Bedienstete den Blick und gestand freimütig: „Junger Herr, auch ich bin solch ein seelenloser Geselle.“
    Sando war überrascht. Er musterte Kazim unverhohlen und Doktor Fasin sagte: „So wie ihn habe ich mir halt einen Diener vorgestellt – und, nicht zuletzt, einen zuverlässigen Freund.“
    Das Auto schlingerte. Kazim hatte für einen Moment nicht auf den Weg geachtet. Sando hielt sich am Vordersitz fest und rückte mit der anderen Hand den verrutschten Turban zurecht.
    „Und Fatima?“, fragte er.
    Doktor Fasin las in den Augen des Jungen den stummen Wunsch, Fatima möge eine Seele haben. Er schüttelte den Kopf. „Fatima ist sozusagen meine Traumprinzessin.“
    Sando schwieg eine Weile, ehe er leise sagte: „Sie ist Ihnen gut gelungen.“ In seiner Stimme schwang dennoch ein wenig Enttäuschung mit.
    Inzwischen war Kazim auf eine befestigte Straße eingebogen. Vereinzelte Häuser tauchten auf. Die Vorboten von Makala.
    Sando schaute neugierig nach vorn. Was wird mich dort wohl erwarten , fragte er sich. Wie wird man mich empfangen in dieser Behörde, die mich in der Wüste vergessen hat?
    Der Geländewagen näherte sich einer großen Stadtmauer, durch die ein zinnenbewehrtes Tor führte. Dort wimmelte es von Menschen, die zu Fuß oder auf abenteuerlichsten Reittieren und Fahrzeugen durch dieses Nadelöhr in die Stadt drängten.
    „Mist!“, sagte Sando nervös. Sie hatten nur noch fünf Minuten Zeit.
    „Sei ganz beruhigt“, sagte der Doktor, „wir müssen nicht durch das Tor.“
    Kazim bog in eine Nebenstraße ein und fuhr zu einem großen, aber unscheinbaren Gebäude, an dem bereits der Putz bröckelte. Es lag direkt vor der Stadtmauer und der einzige Hinweis darauf, dass es sich um eine Behörde handelte, war eine kleine Flagge an der Wand neben der Eingangstür, auf der ein Emblem mit der Aufschrift „Katharsia“ zu erkennen war.
    „Sando, es ist so weit, unsere Wege trennen sich.“
    Doktor Fasin stieg aus und begleitete den Jungen die Treppe hinauf zur beflaggten Tür. Sando drehte sich noch einmal um und winkte Kazim zu. Drinnen wandte sich Doktor Fasin an einen Wachmann in blauer Uniform, der in einer Glasloge saß, hinter ihm zwei gepanzerte Engel, die angesichts der Ankömmlinge ihr Gespräch unterbrachen und aufmerksam das Geschehen verfolgten. Sando hörte nicht, was der Doktor mit dem Wachmann besprach. Er sah nur, wie der Uniformierte nach kurzer Zeit zum Telefon griff. Doktor Fasin kam auf Sando zu. „Du wirst schon erwartet. Viel Glück in Katharsia!“
    Er reichte dem Jungen zum Abschied die Hand.
    „Vielen Dank für alles“, sagte Sando.
    Doktor Fasin ging und Sando fühlte einen Kloß im Hals. Er stand da, allein, in der Hand die kleine Tasche, die nichts anderes enthielt als das, was er bei seiner Ankunft in Katharsia am Leibe getragen hatte.
    „Doktor Fasin?“
    Der Gerufene drehte sich in der geöffneten Tür noch einmal um und blickte Sando fragend an.
    „Grüßen Sie Fatima von mir!“
    Der Doktor lächelte. „Versprochen.“
    Dann fiel mit einem dumpfen Geräusch die schwere Tür ins Schloss.

DENISE
    Sando stand unschlüssig da. Der Wachmann und die gepanzerten Engel nahmen keine Notiz mehr von ihm. Vor sich sah er einen dunklen Korridor mit vielen geschlossenen Türen, zwischen denen Stühle an der Wand standen. Er ging zu den am nächsten stehenden, stellte seine Tasche ab und setzte sich mit einem Grummeln im Bauch. Was

Weitere Kostenlose Bücher