Katharsia (German Edition)
meinem Passwort in die Einwanderungsbehörde ein“, kommentierte sie ihr Vorgehen. „Hier haben wir die Liste, in der die Koordinaten der Ankömmlinge verzeichnet sind. Jetzt übertrage ich Marias Werte auf diese Karte und zoome näher heran. Und was siehst du?“
„Ihr Kokon muss genau neben diesem Busch dort drüben gelegen haben.“
„Genau! Und dort siehst du dich jetzt um, ob du irgendeinen Hinweis findest.“
Sando wollte schon aussteigen, da wurde der Bildschirm plötzlich schwarz, flackerte ein paar Mal – und plötzlich war eine Frau zu sehen, die Denise direkt ansprach: „Denise, wer ist der Junge neben dir? Kann ich sprechen?“
Denise war überrascht.
„Was ist los? Wo brennt’s denn, Miriam?“ Und mit einem Seitenblick auf Sando sagte sie: „Das ist Sando Wendelin, ein Neuankömmling. Du kannst offen sprechen.“
„Der Chef tobt! Hast du eine Anzeige an die Gefahrenabwehr geschickt?“
„Ja.“ Denises Gesicht lief vor Aufregung rot an. „Bei der Sachlage musste ich das tun.“
„Du sollst sofort zum Chef kommen! Das mildeste Wort, das er gebraucht hat, war ,Nestbeschmutzerin‘. Es sieht nicht gut aus für dich.“
„Immer langsam!“, sagte Denise. „Das hängt doch wohl von den Ermittlungsergebnissen der Abwehr ab …“
„Ich bin mir nicht sicher, ob die Leute von der Abwehr der Sache überhaupt nachgehen. Es war so merkwürdig, als deine Anzeige von denen zurückkam.“
„Was meinst du damit, Miriam?“
„Lass gut sein, Denise! Darüber sollten wir in der Leitung lieber nicht sprechen. Ich habe eh schon zu viel gesagt …“
Die Frau auf dem Schirm druckste ein wenig herum, dann meinte sie: „Ich habe übrigens den Auftrag, dich aus dem Netz zu nehmen. Dein Passwort ist ab sofort ungültig. Es tut mir leid, Denise.“ Der Bildschirm wurde wieder schwarz.
Sando erwartete nun einen dieser tränenreichen Gefühlsausbrüche, die so typisch für Denise schienen, doch sie reagierte erstaunlich kühl.
„Da stecke ich wohl in großen Schwierigkeiten“, konstatierte sie nur.
Es ist wohl nur das Leid anderer , überlegte Sando, auf das sie immer so gefühlsbetont reagiert.
Denise schaltete den Bordcomputer aus, steckte den Zündschlüssel in ihr kleines Häkeltäschchen und sagte mit einem Blick auf den Hügel, hinter dem Franz verschwunden war: „Sicher ist sicher.“
Sando staunte über die Unverfrorenheit des kleinen Engels, der nun resolut erklärte: „So, Sando, jetzt bringen wir unser Vorhaben erst einmal zu Ende! Mein Chef kann warten.“
Beide kletterten aus dem Schwebemobil und machten sich auf die Suche nach etwaigen Hinweisen auf Maria. Sando arbeitete sich, den Blick auf den Boden geheftet, den Hügel hinauf, doch der ewige Wind hatte längst alle möglichen Spuren zugeweht.
Als Sando sich umdrehte, um sich einen Überblick zu verschaffen, fielen ihm große, tiefe Löcher in der Landschaft auf. Sie waren in regelmäßigen Abständen in den Boden gegraben und bildeten eine Spur, die bis zum Horizont führte.
Spur? Natürlich , dachte Sando. Wenn es eine Spur ist, dann kann nur Stadlmeyrs Echse sie gezogen haben! Vielleicht hat ja der Wiener Marias Kokon gesehen?
Sando hastete den Hügel hinauf und wollte Stadlmeyr, der sich jenseits der Kuppe befinden musste, danach fragen. Oben angekommen, stolperte er jedoch über etwas Schweres. Er stürzte kopfüber in den weichen Sand, überschlug sich mehrfach hangabwärts und landete in der Senke. Schnell rappelte er sich wieder auf, schaute sich um – und erstarrte. Er war über den Gesuchten gestolpert! Reglos lag er da. Mit einem Messer im Rücken.
„Denise, kommen Sie! Schnell!“, rief Sando mit panischem Schreck.
Als sie oben am Hang auftauchte und die Leiche sah, entfuhr ihr ein Schrei, den sie mit der Hand auf dem Mund erstickte. Ihr Körper krümmte sich, als müsste sie sich übergeben, dann presste sie hervor: „Sando, du hast ihn doch nicht etwa …?“
„Ich? Wie kommen Sie denn darauf? Warum sollte ich …“
Denise deutete ratlos auf den Boden. „Es gibt hier nur Spuren von dir.“
„Ich bin über ihn gestolpert, verdammt!“, schrie Sando aufgebracht. Verzweifelt kämpfte er sich durch den tiefen Sand wieder nach oben, machte aber einen großen Bogen um den Toten.
Als er bei Denise ankam, breitete die ihre kurzen Arme aus und drückte ihn schluchzend an sich. „Ich glaube dir ja!“
„Wer macht denn so was?“, sagte Sando tonlos in die nach Apfel duftenden Locken des Engels
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