Katharsia (German Edition)

auf und empfing sie mit überschwänglicher Geste.
    Eitler Fatzke , dachte Sando, denn es war nicht zu übersehen, dass sich der Unternehmer mit Marias Schönheit schmückte.
    „Wer ist sie?“, fragte Wolfenhagen.
    „Wie bitte?“
    Der Doktor, immer noch mit dem Blick auf der Retaminwolke, hatte nicht begriffen, was Wolfenhagen von ihm wollte.
    „Ach, nichts …“, winkte der Graf ab und musterte das Paar mit reglosem Gesicht.
    Sando beunruhigte das Interesse des Grafen und er war erleichtert, als dieser mit der Meldung, dass die Wolke nun bereit sei, seine Aufmerksamkeit wieder dem Doktor zuwandte.
    Bevor der mit seiner Konzentrationsübung für die dritte Echse begann, fragte der Graf: „Wie viele dieser netten Tierchen brauchen wir eigentlich für den Sieg?“
    „Mindestens fünf“, antwortete Doktor Fasin knapp und machte ein Gesicht, das signalisierte, dass er nun nicht mehr ansprechbar war.
    Wenn es so weitergeht, schaffen sie es bis zum Ende der Frist , dachte Sando.
    Fünf Echsen! Und bliebe dann noch Zeit, würde der Graf Retamin für seine Seelen beanspruchen. Das bedeutete die Geburt einer Armee unter dem Kommando Wolfenhagens. Pro Retamintank tausend Mann! Und Sando hatte noch immer keine Idee, was er gegen diesen Wahnsinn unternehmen konnte.
    Er drehte sich um. Auch seine Gefährten hinter dem Panzerglas schauten entsetzt und ratlos drein. Denises Flügel zuckten und selbst aus dieser Entfernung erkannte Sando die Nässe in ihren Augen. „Dieser Heulton“, hörte Sando den Grafen zu einem Techniker sagen, „er klingt wie die Warnsirene im Hades. Oder irre ich mich?“
    „Sie haben Recht, Herr Graf. Er dringt aus der freigesprengten Öffnung an der Syntheseanlage. Er ist recht nervig“, antwortete der KORE-Spezialist.
    „Gewiss. Aber darin sehe ich nicht das Hauptproblem. Ich fürchte, dieses Geheul könnte unliebsame Gäste anlocken. Es wäre fatal, wenn die Syntheseanlage vorzeitig entdeckt würde.“
    Sando spitzte die Ohren und hörte den Techniker antworten: „Aber wir können den Ton von hier aus nicht abstellen. Und die Kräfte in der Syntheseanlage haben nicht die erforderlichen Schutzanzüge für den Abstieg in den Hades.“
    Sandos Herz klopfte höher. Die Absicht Wolfenhagens, die Sirene abzustellen, bot vielleicht die Chance, nach der er bisher vergeblich gesucht hatte. Er räusperte sich so absichtsvoll, dass sich Wolfenhagen zu ihm umdrehte und ihn fragend ansah.
    „Herr Graf, vielleicht könnte ich von hier aus versuchen, zu der Sirene vorzudringen. Hier gibt es Schutzanzüge.“
    „Du? Warum ausgerechnet du?“
    „Der Doktor wird hier gebraucht und ich bin neben ihm der Einzige, der sich im Hades auskennt.“
    „Das würdest du auf dich nehmen?“
    Der Blick Wolfenhagens bezeugte Hochachtung.
    Lemming, der zugehört hatte, war nervös geworden.
    „Nichts da! Ohne mich machst du keinen einzigen Schritt!“, erklärte er grantig.
    „Ruhe, verdammt!“, keuchte vom Pult aus der Doktor, der eben den Nebel zum Kreiseln gebracht hatte. Er schwitzte Blut und Wasser. Noch immer spiegelte sich in seinem Gesicht der Zorn auf Wolfenhagen.
    Der entscheidende Moment war gekommen. Der Nebel nahm Form an. Sando sah im Hintergrund die Wand aus Seelenaugen. Die Formation hatte sich wieder diszipliniert zurückgehalten.
    Plötzlich ging ein Schrei der Verwunderung durch den Saal. Immer deutlicher schälte sich aus dem Kreisel eine Figur heraus, die nichts mit einem Chamäleon zu tun hatte. Es war eine riesige menschliche Gestalt! Aufrecht stand sie da, Körper und Gesicht aus schimmernder Echsenhaut, auf dem Kopf einen Federhut. Dieses sonderbare Mischwesen überragte die beiden monströsen Chamäleons um Längen. Doch es fing an zu schwanken, denn die schuppenbewehrten Beine konnten die Last nicht länger tragen. Sie krümmten sich, als wären die Knochen aus Gummi. Allmählich knickten sie ein. Der Hybrid aus Mensch und Echse sackte zu Boden und begann, auf allen vieren zu krabbeln.
    Wutschnaubend riss sich der Doktor die Haube vom Kopf. „Wie soll man sich hier konzentrieren?!“, brüllte er.
    „Ganz ruhig, Doktor!“, grinste ihn Wolfenhagen an. „Ihre Anstrengung war nicht umsonst. Was meinen Sie, was eine solch groteske Gestalt für Panik auslöst, wenn sie auf die Kampflinien zukrabbelt.“
    „Ach, Sie schon wieder!“, schrie der Doktor. „Nehmen Sie gefälligst Ihren Federhut vom Pult! Und dieses Geheul macht mich noch wahnsinnig!“
    Eine willkommene Gelegenheit für