Katharsia (German Edition)
sich danach, im Hades zu sein, damit er dieses vermaledeite Warnsignal abschalten konnte. Aber wie sollte er dies bewerkstelligen? Wie hier herauskommen? Er saß fest unter der Kontrolle Lemmings, der dem Doktor bis zum Letzten ergeben war.
„Retamin frei!“, hörte er den Befehl des Doktors, der – angetan mit seiner elektrodenbestückten Haube – konzentriert nach vorn blickte.
Der Graf beobachtete gespannt die Wolke, die dem Tank entstieg. Die Seelen werden wieder unruhig , stellte Sando angesichts der hektischen Augenbewegungen in der Formation fest. Wann werden sie die Gelegenheit beim Schopfe packen und sich auf das Retamin stürzen?
Doch wie von einem eisernen Willen bezwungen, wagte keine einzige, aus dem Verband auszuscheren.
Kurz darauf stand eine zweite Echse neben der ersten.
Beifall unter den Anwesenden brandete auf. Erschöpft zog sich Doktor Fasin die Haube vom Kopf.
„Eine kleine Pause, bevor es weitergeht.“
Wolfenhagen blickte sinnierend auf die Urzeitmonster. „Ein ganzer Tank Retamin steckt in jedem dieser Viecher? Für wie viele Kämpfer würde das reichen?“
„Ein Tank reicht wohl für etwa für tausend Leute. Warum fragen Sie?“
„Nun, es wäre jammerschade, wenn dieser wertvolle Stoff nicht mehr für meine Seelen reichen würde“, sagte Wolfenhagen.
„Was für Seelen? Wovon reden Sie, Herr Graf?“ Doktor Fasin war hellhörig geworden. „Ihre Seelen haben sich doch hoffentlich in alle Winde zerstreut …“
„Wozu? Damit sie überall Ihre Vision vom Paradies verkünden?“
„Genau.“
In schlimmer Vorahnung wandte sich Doktor Fasin an den Techniker. „Schalten Sie mir den Seelenscanner der Syntheseanlage auf den Schirm!“ Und zum Grafen sagte er drohend: „Wenn mir das Ortungsgerät nur einen einzigen roten Punkt einer Seele zeigt, dann …“
„Was dann?“, fragte Wolfenhagen lauernd.
Doktor Fasin winkte genervt ab.
Das Bild kam. Es bestand aus einer undifferenzierten knallroten Fläche.
„Eine Störung!“, herrschte Doktor Fasin den Techniker an. „Geht es nicht etwas deutlicher?“
Nervös fummelte der Uniformierte an den Knöpfen und Reglern des Pultes.
„Ich kann keinen Fehler feststellen“, sagte er und zog in Erwartung eines Donnerwetters den Kopf ein.
„Es ist keine Bildstörung“, sagte Sando leise von hinten.
Der Doktor fuhr herum. „Was hast du gesagt?“
„Es ist keine Bildstörung“, wiederholte Sando.
Wolfenhagen drehte sich um und musterte Sando aus schmalen Augen. Es war das erste Mal, dass er den Knaben hinter sich wahrnahm. Und er schien darüber nachzudenken, ob von ihm eine Gefahr ausging.
„Was ist es dann?“, fragte Doktor Fasin unbeherrscht.
„Es sind Seelen, sehr viele Seelen.“
Wolfenhagen fragte überrascht: „Kannst du sie etwa sehen?“
„Ja.“
Während der Graf Sando nachdenklich musterte, explodierte Doktor Fasin. „Was soll das heißen?“, schrie er aufgebracht. „Warum sind die Seelen nicht längst unterwegs? Wir haben lang und breit darüber gesprochen, was davon abhängt!“
„Nicht so laut, Herr Doktor! Schonen Sie meine Ohren“, wehrte Wolfenhagen mit schmerzlich verzogener Grimasse ab. „Sagen Sie, dieser Junge, kann er wirklich Seelen sehen?“
„Ja“, blaffte Doktor Fasin. „Aber lenken Sie jetzt nicht ab!“
„Gibt es viele, die so etwas können?“, fragte der Graf, den die Wut des Doktors kalt ließ.
„Er ist der Einzige“, antwortete Doktor Fasin genervt, um das Thema endlich abzuschließen.
Wolfenhagen bedachte Sando mit einem Blick, in dem eine Mischung aus Hochachtung und Misstrauen lag.
„Und jetzt beantworten Sie endlich meine Frage, Graf! Warum sind die Seelen noch dort?“
Doktor Fasin wies auf den knallroten Schirm, woraufhin Wolfenhagen schulterzuckend kundtat: „Ganz einfach: Sie haben es nicht eingesehen.“
Doktor Fasin lief rot an. „Was haben sie nicht eingesehen?“
„Ihre Vision ist ihnen egal.“
Dies sagte Wolfenhagen mit einer Leichtigkeit, als ginge es darum, zu entscheiden, ob Zucker im Kaffee genehm sei.
Doktor Fasin schnappte nach Luft. Was ihm eben eröffnet wurde, stellte den Sinn der gesamten Unternehmung infrage.
„Aber … aber …“, japste er entsetzt. „Sie haben doch immer behauptet, dass Sie die Seelen im Griff hätten …“
„Aber das habe ich doch“, sagte der Graf, als wunderte er sich über den Zweifel, der in den Worten des Doktors mitschwang. „Sie warten brav auf meine Anweisungen. Ihr junger Seelenseher kann
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