Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Katharsia (German Edition)

Katharsia (German Edition)

Titel: Katharsia (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Magister
Vom Netzwerk:
seinem Herrn gehört hatte. Offenbar betrachtete er sie als sichere Beute, denn der Graf hatte es auf Maria abgesehen. Rechts neben dem ungeschlachten Mordbuben saß Nabil. Er blickte zwar finster drein, doch so mutlos wie Ben und Denise wirkte er nicht. Vielleicht war es aber nur die schiere Körpergröße, die ihm den Anschein von Tapferkeit und Unverletzlichkeit verlieh. Der Stuhl neben ihm war frei. Mehr Gäste gab es nicht an der Tafel. Sando fiel auf, dass Gregor fehlte. War ihm etwas zugestoßen? Suchend blickte er sich im Saal um. An den Wänden aufgereiht standen Wachen, zerlumpte Gestalten, deren Körperhaltung nachlässig wirkte. Doch mit den Augen verfolgten sie aufmerksam jede Bewegung am Tisch.
    Unvermittelt brach Wolfenhagen das Schweigen. „Da ist ja unser Auvisor! Die Sirene im Hades schweigt. Ich gratuliere!“
    „Es war nicht leicht“, antwortete Sando, um überhaupt etwas zu sagen.
    „Aber du hast dich durchgeschlagen, das ist das Wichtigste. Ich mag Menschen, die sich durchbeißen bis zum Erfolg.“
    Er warf einen verächtlichen Blick auf Doktor Fasin.
    „Unser lieber Doktor dagegen hat schlappgemacht. Ohne mein Eingreifen würde uns der Präsident immer noch auf der Nase herumtanzen. Nun hat er Gott sei Dank das Zeitliche gesegnet.“
    „Er ist tot?“, fragte Sando erschrocken.
    „Ja. Als New York brannte, hat er sich in seinem Schattenhain umgebracht.“
    Er lügt , dachte Sando. Sie haben ... ihn ermordet! Oder? Sollte Wanderer doch …? Der Junge schwieg, verwirrt über den leisen Zweifel, der in einem versteckten Winkel seines Ichs aufgekommen war: Wanderer, dessen Skrupel im Schattenhain Gestalt gefunden hatten – warum sollte er nicht Hand an sich legen angesichts der Katastrophe, die er nicht hatte verhindern können?
    „Ich muss gestehen, ein sehr eindrucksvoller Rücktritt …“ Um Wolfenhagens Lippen spielte ein süffisantes Lächeln. „Aber der Ärmste hat sich umsonst geopfert. Ich habe die roten Knöpfe dennoch gedrückt. Einen nach dem anderen.“ Genüsslich presste er den Zeigefinger auf eine Reihe imaginärer Tasten auf der Tischplatte.
    „Aber warum?“, entfuhr es Sando. „Sie hatten doch bekommen, was Sie wollten?!“
    Obwohl es Wolfenhagen sichtlich nicht schmeckte, dass ihn der Junge mit einer vorwurfsvollen Frage belästigte, ließ er sich zu einer Antwort herab. Großspurig erklärte er: „Wir machen reinen Tisch für einen Neubeginn.“
    Nun hielt es Doktor Fasin nicht mehr aus.
    „Neubeginn?“, rief er höhnisch. „Dass ich nicht lache!“
    Der Graf ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Neues, lieber Doktor, entsteht immer auf den Trümmern des Alten.“
    Doktor Fasin sprang auf. Er war außer sich.
    „Wegen Ihnen wird alles scheitern, Graf! Ihre Mordbande hat meine fähigsten Mitarbeiter niedergemetzelt!“
    Die an den Wänden aufgereihten Wachen spannten sich.
    „Ich brauche sie nicht, ihre Klugscheißer!“, entgegnete der Graf kalt. Er zog einen Dolch aus seinem Gürtel und legte ihn demonstrativ auf den Tisch.
    Sando erkannte den Seldschukendolch.
    Djamila gab einen unartikulierten Laut von sich, fiel aber sogleich wieder in ihre Starre. Der Graf registrierte dies mit einem arroganten Zucken seiner Augenbrauen.
    „Nur, wer zum Äußersten bereit ist, der ist fähig, die Geschicke anderer zu lenken! Sie sind ein Schwächling, Doktor!“
    Verächtlich drückte er ihn nieder auf seinen Lehnstuhl.
    Niemand außer Sando bemerkte, wie Mike Lemming, empört über die Art und Weise, wie der Doktor behandelt wurde, buchstäblich an die Decke ging. Derweil sagte der Graf: „Du hast wenigstens Mumm bewiesen, Junge. Nimm doch endlich Platz!“
    Der Stuhl neben Nabil war noch frei. Sando steuerte darauf zu und begrüßte seinen Gefährten mit einem beredten Blick.
    „Was ist mit Professor Strondheim?“, flüsterte er, während er sich setzte.
    Mit unbewegten Lippen murmelte Nabil: „Ich glaube, sie foltern ihn wegen des Codes. Wolfenhagen ist fast durchgedreht, als die Anlage ausfiel. Seine Seelen …“
    „Sei still!“, raunte Sando. Eine der Wachen war auf sie aufmerksam geworden.
    „Meine Damen und Herren“, ließ der Graf nun wieder von sich hören, „wie es aussieht, ist das entscheidende Gefecht in seine letzte Phase eingetreten.“
    Jetzt erst entdeckte Sando an der Saalwand, die sich bei seinem Eintreten in seinem Rücken befand, den Monitor, der ein Chamäleon im Blitzlichtgewitter zeigte. Gemächlichen Schrittes bahnte es sich seinen

Weitere Kostenlose Bücher