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Katharsia (German Edition)

Katharsia (German Edition)

Titel: Katharsia (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Magister
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Flackern!“, stieß er hervor. „Daran habe ich den Weg wiedererkannt!“
    Der Mann mit dem Schwert betrachtete die Lampe skeptisch. Doch schließlich nickte er. „Gut, nehmen wir diese Richtung!“, entschied er.
    Kurz darauf bogen sie endlich in einen Gang ein, an dessen Ende das Licht freundlicher strahlte.
    Sando wusste, dass dort hinter Glaswänden die Büros lagen, in denen vor wenigen Stunden noch hektisches Treiben geherrscht hatte. Nun war es auffällig still im Gang. Hatten die Büroleute ihre Arbeit inzwischen erledigt?
    Bei der ersten Glaswand angekommen, wagte Sando einen Seitenblick: An dem Schreibtisch gleich hinter der Scheibe saß eine Frau. Sie hatte den Kopf auf die Arbeitsfläche gelegt. Es sah aus, als halte sie Büroschlaf. Doch ihre Augen waren weit aufgerissen, ihr Blick gebrochen. Blut tropfte von der Schreibtischkante hinab auf einen weiteren Toten, der zu ihren Füßen am Boden lag, zerstückelt, ohne Kopf. Sando packte der Würgereiz. Er wendete sich ab, übergab sich gegen die Glaswand auf der anderen Seite des Ganges. Doch er schreckte sogleich wieder zurück. Mit plattgedrückter Nase starrte ihn durch die Scheibe ein Toter an. Eingeklemmt zwischen der Glaswand und einem Regal stand er aufrecht und schien die Vorbeigehenden zu mustern. Die Kreuzfahrer lachten lauthals über die lustig aufgerichtete Leiche und über das kotzende Weichei, das ihr Aug in Aug gegenüberstand.
    „Hast du noch nie einen Toten gesehen?“, amüsierte sich der Schwertträger. „Schau hin, dann gewöhnst du dich dran!“
    Er packte Sando wie eine Katze im Nacken und drückte sein Gesicht gegen die Scheibe. Erst jetzt erkannte der Junge das Ausmaß des Gemetzels. Auf den Schreibtischen, am Boden, überall lagen Leichen oder deren Teile: Köpfe, Rümpfe, Hände. Das gesamte Mobiliar troff vom Blut, das auf dem Boden zu Pfützen zusammenlief.
    „Siehst du, Junge, so ergeht es allen Gegnern des Grafen.“
    Die Hand ließ Sando wieder los. Er senkte den Blick, um dieses Grauen nicht mehr sehen zu müssen.
    Wo war Maria? Wo seine Gefährten? Er ahnte Schlimmstes.
    „Weiter, Bürschchen!“
    Er spürte, wie er vorangestoßen wurde. Der Gang war nun breit genug, dass ihn die Kreuzfahrer links und rechts eskortieren konnten. Unter der Decke schwebte Mike, obwohl „schweben“ nicht der rechte Ausdruck war für die Art, wie er sich fortbewegte: Selbst der hartgesottene Lemming trudelte, wie benommen von der Blutgier, der Mordlust der Anhänger Wolfenhagens.
    Vorn tauchte die große Tür der Kommandozentrale auf. Sie stand offen. Sando ging darauf zu, während unter seinen Füßen plötzlich etwas knirschte und zerbrach. Der Junge sah nach unten. Er war auf eine kleine Plastikkappe getreten. Wo hatte er eine solche schon gesehen? Vor ihm lagen weitere am Boden verstreut.
    Und plötzlich wurde ihm klar, woher er sie kannte. Eine furchtbare Ahnung hemmte seinen Schritt.
    „Was ist los? Weiter!“, knurrte der Schwertträger. „Oder gehörst du nicht zum Grafen?“
    „Doch, doch“, beeilte sich Sando zu versichern und setzte mechanisch einen Fuß vor den anderen.
    Diese Kappen! Sie hatten die roten Knöpfe am Steuerpult gesichert, um die Städte Katharsias vor der unabsichtlichen Vernichtung zu bewahren. Warum lagen sie hier so herum?
    Mit bangem Herzen ging er auf die Kommandozentrale zu, nahm Kurs auf die Tür. Doch er wurde abgedrängt. „Hier entlang!“
    „Aber der Graf ist doch hier drin!“, widersprach Sando.
    Er blieb stehen und warf rasch einen Blick in den Saal. Er war leer, die Plätze an den Tischen verwaist. Nur auf dem Steuerpult hockte wie ein Fakir ein Mann mit nacktem Oberkörper und einem Turban auf dem Kopf. Während er sich mit einem Kreuzfahrer unterhielt, drückte er wahllos die verschiedenen Knöpfe. Auf der Monitorwand, die schräg zu Sando stand, erkannte er schemenhaft eine brennende Stadt.
    Sie haben es getan , dachte er. Sie haben Katharsia in Schutt und Asche gelegt!
    „Der Graf hat es vorgezogen, umzuziehen“, hörte er einen seiner Begleiter sagen. „Der Anblick der Ruinen ist ihm zu öde geworden.“
    Die Eskorte führte ihn weiter an Büros voller zerstückelter Leichen vorbei bis zur Tür des Spiegelsaales: Doktor Fasins hochherrschaftliche „Präsidentensuite“. Zwei Wachen, ein grimmig dreinblickender Samurai und ein Zivilist mit Maschinenpistole, versperrten ihnen den Weg.
    „Wen schleppt ihr denn da an?“, fragte der Zivilist.
    „Dieser Junge behauptet, für den

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