Katharsia (German Edition)
viel Zeit ins Land gegangen, dass mein Groll gegen sie verflogen ist. Was soll ich tun?“ Er tat, als grüble er über ein schwieriges Problem nach und teilte dann seine Entscheidung mit: „Ich glaube, ich werde ein Zeichen der Versöhnung setzen und belohne sie mit einer guten Partie: meinem besten Freund!“
Der dicke Pepe stieß ein anzügliches Lachen aus, kindlichen Glanz der Vorfreude in den Augen, unterließ es aber, Djamila erneut zu betatschen.
„Ja, die alten Bekannten!“, schwadronierte Wolfenhagen weiter und fasste Ben ins Auge. „Auch wir sind uns damals in Jerusalem schon über den Weg gelaufen … Wie war doch gleich dein Name, Bursche?“
Da Ben nicht sofort antwortete, stieß ihm Jussuf in den Rücken. „Ben … Ben Hakim“, krächzte Ben.
„Richtig, Ben.“ Der Graf tat hocherfreut. „Du kamst in dieses Haus, in dem so viele Schätze gehortet wurden: goldene Pokale, Teller und Schalen, kistenweise Schmuck und Edelsteine – und nicht zuletzt Djamila. Ich erinnere mich noch gut, obwohl unsere Begegnung damals recht kurz war. Aber dafür war sie ausgesprochen … wie soll ich sagen …“ Er hielt inne, um das folgende Wort auszukosten: „… nahrhaft.“
Er wieherte vor Lachen. Pepe stimmte ein, mit ihm der Chefredakteur, obwohl er sichtlich keine Ahnung hatte, was der Graf mit „nahrhafter Begegnung“ gemeint hatte.
Ben hielt die Augen geschlossen und zwang sich, ruhig zu bleiben. Hinter ihm stand Jussuf, bereit, beim geringsten Aufbegehren einzuschreiten.
„Als Dank für das Opfer, das du mir damals gebracht hast, lieber Ben, habe ich deine illustren Freunde mit eingeladen: jenen Hünen, der so finster dreinblickt, dass ich vor Angst vergehen möchte.“
Pepe gluckste.
„Und die bezaubernde, pausbackige Engeldame, die sicher so traurig wirkt, weil sie noch nie einen Meter geflogen ist.“
Sogar die Wachen prusteten nun los. Der Graf sonnte sich im Gelächter seiner Untertanen. Denise und Nabil verzogen keine Miene, was der Graf zum Anlass für eine weitere Ankündigung nahm.
„Um die Stimmung unter meinen Gästen ein wenig aufzuheitern, habe ich Musik bestellt, gespielt von einem alten Bekannten. Darf ich vorstellen: mein Hofmusikant Gregor!“
Eine getarnte Spiegeltür flog auf und Gregor stolperte in den Saal, offenbar von jemandem gestoßen. Er fing sich mühsam und kam hinter Marias Stuhl zum Stehen. Eine Flöte in der Hand, blickte er scheu in die Runde.
„Spiel!“, forderte Wolfenhagen ihn auf.
Gregor wirkte wie ein Häufchen Unglück. Mehr als neunhundert Jahre war es her, da hatte ihm der Graf den gleichen Befehl erteilt. Er hatte gespielt und seine Musik war zum Totentanz für seine Freunde geworden.
Unschlüssig drehte er nun die Flöte zwischen den Fingern und trat von einem Bein auf das andere. Während die Augen aller auf ihn gerichtet waren, verzog er auf einmal verwundert das Gesicht und schaute zur Decke hinauf. Von den Kronleuchtern kam ein Klirren. Es mochte schon seit geraumer Zeit die Begleitmusik für diese obskure Siegesfeier gewesen sein, doch erst dem Neuankömmling war es aufgefallen.
Die Anwesenden folgten Gregors Blick und sahen, wie die geschliffenen Kristalle an den prächtigen Leuchtern rhythmisch erzitterten. Gleichzeitig spürten sie dumpfe Erschütterungen und es dauerte einige Zeit, bis sie begriffen, dass das Stampfen der Echsen, die das Anwesen Doktor Fasins umkreisten, dieses Beben verursachte. Bis ins innerste Mark spürte ein jeder in dieser Runde den Widerhall der Apokalypse, die sich draußen vor den Mauern abspielte.
„Spiel!“
In Wolfenhagens Gesicht zuckte es. Jussuf sprang zu Gregor, riss ihm die Flöte aus der Hand und presste sie ihm zwischen die Zähne. Blut floss ihm von den Lippen.
„Lassen Sie ihn doch, wenn er nicht will“, bat Maria.
Ein leiser Einwand. Doch Jussuf unterbrach seine brutale Aktion, schaute verunsichert zu seinem Herrn, weil er nicht riskieren wollte, dessen neue Flamme zu ignorieren.
Sando hielt den Atem an, als sich der Graf langsam Maria zuwandte.
„Wenn er nicht will?“, fragte er erstaunt. „Habe ich recht gehört?“
„Ja, Sie sehen doch, dass er nicht spielen möchte.“
Maria hielt dem Blick des Grafen stand. Der setzte ein breites Lächeln auf.
„Ich bitte Sie, Teuerste! Hier zählt einzig und allein, was ich will.“
Maria öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch sie unterließ es, denn Jamal al Din hatte ihre Hand ergriffen und sie fest gedrückt.
Wolfenhagen war
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