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Katharsia (German Edition)

Katharsia (German Edition)

Titel: Katharsia (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Magister
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Gregor , denkt Ben, wir wollten dich beschützen, zurückholen hinter die sicheren Mauern der Stadt! Jetzt bist du hier und wir können uns selbst nicht schützen.
    „Hörst du die Flöte?“
    Die Frage des Fremden reißt ihn aus seinen Gedanken. Ben nickt stumm, schluckt. Seine Kehle fühlt sich trocken und rau an.
    „Dann muss es die Angst sein, die dir die Sprache verschlägt. Aber sag, geben wir dir irgendeinen Grund dazu?“ Der Edle breitet die Arme aus. „Wir sitzen hier friedlich beieinander, führen eine gepflegte Unterhaltung und wollen gemeinsam speisen. Übrigens, Herr Hakim, würde ich mich freuen, wenn Ihr Sohn … Wie heißt er doch gleich?“
    „Ben“, kommt es leise vom Vater.
    „… wenn also Ben an unserer Runde teilnehmen dürfte.“
    „Selbstverständlich“, sagt der Vater und blickt seine Frau an. Sie eilt zur Tür, um noch ein Gedeck zu holen.
    „Bitte, bleiben Sie, Teuerste! Sie haben schon den Tisch so fürstlich hergerichtet. Setzen Sie sich zu Ihrem Mann.“
    Bens Mutter schaut irritiert zum Vater. Sie als Frau in einer Männerrunde? Doch bevor er etwas sagen kann, ist der Fremde bei ihr, fasst sie bei der Hand, zieht sie mit sanfter Gewalt zum Diwan des Vaters und drängt sie, sich neben ihn zu setzen. Widerstrebend lässt sie sich nieder, hockt da mit steifem Rücken, die Hände im Schoß gefaltet. Auf einen Wink des Edelmannes hin springt einer der beiden Kreuzfahrer auf und verlässt den Raum. Ben erkennt in ihm den Rotgesichtigen, der Achmed mit dem Seldschukendolch die Kleidung vom Leib geschnitten hat.
    „Meine Männer kennen sich aus in solchen Häusern. Er wird schon das Richtige bringen.“ Der Edelmann lacht herzlich. „Genießen Sie lieber die Musik. Spielt er nicht hübsch, dieser Junge?“
    Bens Vater sieht seine Frau vielsagend an. Dann setzt er zaghaft an: „Bitte, Herr von Wolfen…“
    „…hagen“, ergänzt der Rot-Gelbe. „Gotthelf Graf von Wolfenhagen, wenn es beliebt.“
    „Verzeihung, dieser Name ist nicht leicht zu merken für unsereinen.“
    „Keine Ursache. Was wollten Sie eben sagen?“
    Wolfenhagen schaut Bens Vater interessiert an.
    „Herr Graf … der Junge … wir kennen ihn aus der Nachbarschaft. Er wirkt so … schwach.“
    Der Edelmann hebt bedauernd die Schultern. „Sie haben Recht, Herr Hakim, aber ich weiß nicht, was mit ihm los ist. Er weigert sich, zu essen. Das wenige, was wir hatten, wollten wir immer mit ihm teilen, nicht wahr, Pepe?“
    Sein Untergebener zuckt zusammen, als er seinen Namen hört. Er hat der Unterhaltung nicht folgen können und gibt jetzt nur einen unbestimmten Grunzlaut von sich. Der Edle nimmt es als Zustimmung. „Ist doch eine Selbstverständlichkeit unter Christenmenschen.“
    „Und die Eltern des Jungen, Herr Graf? Sie waren doch auch … bei Ihnen dort draußen?“
    „Tja, leider … sie haben es nicht überlebt. Auch sie wollten partout nichts essen. Vielleicht konnten sie nicht verwinden, dass ihr sie aus Jerusalem vertrieben habt.“
    Mit feinem Gespür hat Wolfenhagen den wunden Punkt getroffen. Bens Eltern ducken sich tief in ihren Diwan, nicken stumm. Ben weiß, dass sich sein Vater gegen die Vertreibung der Christen gestellt hat, und nun, da es dennoch geschehen ist, schämt er sich für seine Stadt.
    Plötzlich wird die Tür hinter Ben aufgestoßen. Er sieht, wie sich die Köpfe der Anwesenden drehen, um zu sehen, wer da so vehement eintritt. In den Augen des Grafen erscheint auf einmal ein Leuchten, in den Gesichtern der Eltern steht der Schreck geschrieben.
    „Ja, wen hast du denn da aufgetrieben, Jean? Meine Männer haben doch immer wieder den richtigen Riecher.“
    Graf von Wolfenhagen erhebt sich und geht an Ben vorbei auf die Tür zu. „Komm, setz dich zu uns!“, hört ihn der Junge hinter sich freundlich sagen. Dann tritt der Edelmann wieder in sein Blickfeld. An der Hand führt er Djamila, die Nichte des Vaters, die in ihrem Haus lebt, eine arabische Schönheit mit langem, schwarzem Lockenhaar und dunklen, braunen Augen. Sie wirkt verschüchtert, versucht, mit einem Tuch in der Hand ihr Gesicht zu verdecken.
    „Pepe“, sagt der Graf, seinen Blick nicht von Djamila abwendend. Der Angesprochene, der das Mädchen mit offenem Munde anstarrt wie eine überirdische Erscheinung, springt auf und rückt auf dem Diwan seines Herrn einige Kissen zurecht.
    Wolfenhagen gurrt: „Bitte, Mädchen, mach mir die Freude und setz dich zu mir.“
    Djamila schaut fragend zu Bens Mutter

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