Katharsia (German Edition)
Pepe. Der schließt die Augen und lässt ein wohliges Knurren hören. Als er die Augen wieder öffnet, fällt sein Blick auf die Fladen, die auf goldenen Platten aufgetürmt liegen, und sein Gesicht verzieht sich verächtlich.
„Viel ist es nicht, was wir Ihnen anbieten können“, sagt Bens Vater entschuldigend. „Wir hatten nur noch ein wenig Mehl für die Fladen und einige getrocknete Früchte im Haus. Sie verstehen … die Belagerung … so viele Wochen. Aber es kommt von Herzen. Bitte, meine Herren, greifen Sie doch zu.“
Die Kreuzfahrer tun nicht dergleichen. Lediglich der goldene Krug mit dem Wasser macht die Runde. Es kommt frisch aus dem Brunnen des Hauses – eine Wohltat nach der stinkenden Brühe, die sie als Belagerer vor den Mauern der Stadt wochenlang haben trinken müssen. Wegen der zugeschütteten Brunnen rund um Jerusalem wurde das Wasser von weither herangeschafft und musste, obwohl es längst verdorben war, teuer bezahlt werden.
Schnell ist der Krug geleert und ehe noch Wolfenhagen sie zurückhalten kann, ist Djamila mit dem leeren Gefäß aus dem Raum geeilt.
„Sie weiß, was sich geziemt“, sagt Bens Vater. „Bald wird sie mit dem gefüllten Krug zurück sein.“
Ben bemerkt, wie Gregor mit großen Augen auf die Fladen starrt. Er steht auf, nimmt einen und bringt ihn seinem Freund. „Bitte, iss ganz langsam“, sagt er, weil Gregor beginnt, sich hastig den Mund vollzustopfen. Und leise, fast unhörbar, ergänzt er: „Ich weiß Bescheid, Gregor. Ich habe Achmeds Tod gesehen.“
Gregor hält überrascht beim Kauen inne. Dann nickt er stumm, isst gierig weiter. Die Kreuzfahrer lassen die beiden gewähren. Sie sitzen vor ihren leeren Bechern. Djamila ist noch nicht zurück und es herrscht ein angespanntes Schweigen.
Bens Vater räuspert sich und sagt mit belegter Stimme: „Also, Herr Graf, kommen wir zum Geschäftlichen. Womit müssen wir … nun rechnen … ich meine … eine Abgabe in welcher Höhe schwebt Ihnen denn vor?“
Ben traut seinen Ohren nicht. Hat sein Vater nicht mitbekommen, was in der Stadt geschieht? Glaubt er tatsächlich, mit dem Kreuzfahrer um sein Gut feilschen zu können wie mit einem korrupten Beamten?
Wolfenhagen macht es offenbar Vergnügen, dieses Spiel mitzuspielen.
„Wissen Sie, Herr Hakim, meine Männer und ich, wir haben große Entbehrungen auf uns genommen, um hierher zu gelangen und das Grab unseres Herrn von den Ungläubigen zu befreien. Mit den Seldschuken haben wir uns herumgeschlagen, mit Hitze, Hunger und Krankheit. So mancher meiner Männer ist elend auf dem Schlachtfeld oder an den Strapazen verendet. Und auch Ihr Jerusalem hat uns nicht gerade freundlich empfangen. Mit heißem Pech und Steinen, mit vergifteten Brunnen und verödeten Landstrichen. Was denken Sie, Herr Hakim, ist ein angemessener Preis dafür?“
Ben sieht, wie seinem Vater der Schweiß ausbricht.
„Alles Wertvolle, was ich als Goldschmied besitze … steht auf diesem Tisch. Das Besteck und die Pokale aus Silber … die Schalen und Leuchter aus massivem Gold. Nehmt Euch alles und ich bin ein armer Mann.“
Hakim sitzt steif da, starrt auf den Tisch, seine Frau hält ihm die Hand.
„Sehen Sie, Herr Hakim“, sagt Wolfenhagen kopfschüttelnd, „es ist ja kein Zufall, dass wir ausgerechnet in Ihrem Hause sind. Gute Führung heißt auch gute Vorbereitung. Dank dieses christlichen Jungen wissen wir, dass bei Ihnen große Schätze eingelagert wurden.“
Ben, der noch bei Gregor steht, schaut seinen Freund überrascht an. Der will vergehen vor Scham. Ben kann es nicht fassen. „Also dir haben wir den Besuch dieser Bestien zu verdanken!“, zischt er aufgebracht. „Schöner Freund!“
Verächtlich wendet er sich ab und geht zu seinem Platz. Sein Vater versucht indes zu retten, was noch zu retten ist. Er zittert am ganzen Körper.
„Dies ist eine Fehlinformation“, stößt er hervor.
Doch Wolfenhagen weiß, dass er die Maus in der Falle hat. „Aber Herr Hakim, ich habe meinen Männern das Marodieren verboten. Ich möchte, dass sie auf zivilisierte Weise zu ihrem Recht kommen. Das sollten Sie zu würdigen wissen. Wenn meine Männer, aufgestachelt durch Ihren Starrsinn, erst einmal anfangen zu suchen, ist mein Einfluss auf sie leider sehr begrenzt.“
Der Goldschmied versucht es mit einem letzten Widerspruch. „Diese Dinge gehören mir nicht. Sie wurden mir anvertraut und ich bin nicht berechtigt, über sie zu verfügen.“
Mit herablassender Geste weist Wolfenhagen
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