Katharsia (German Edition)
hinüber.
„Schon gut, Djamila, setz dich.“
Die Schöne lässt sich neben dem Grafen nieder. Der nimmt ihre Hand, mit der sie das Gesicht verdeckt, drückt sie sanft beiseite und betrachtet sie lächelnd.
„Ein echter Schatz. Djamila ist dein Name?“ Er wendet sich an Bens Vater: „Sie wollten sie doch nicht etwa vor mir verbergen, Herr Hakim?“
„Na ja … Herr Graf …“, kommt es heiser und sehr leise, „wir konnten ja nicht wissen, dass wir auf einen so … großherzigen Menschen wie Sie treffen würden.“
„Ist schon verziehen“, erwidert Wolfenhagen leutselig und tätschelt Djamila die Hand. „Eine so schöne Tochter würde ich in dieser Situation auch verstecken.“
„Sie ist nicht unsere leibliche Tochter“, sagt Bens Vater. „Verwandte aus Askalon haben sie geschickt, damit sie hier etwas lernt. Sie geht meiner Frau im Haus zur Hand, ist sehr geschickt und fleißig.“
„Wir haben sie in unser Herz geschlossen wie ein eigenes Kind“, ergänzt Bens Mutter mit einem bangen Blick.
„Sie müssen keine Angst haben, Gnädigste, ich werde meinen Männern sagen, dass sie unter meinem persönlichen Schutz steht.“
Der Graf wirft Pepe einige Worte hin. Beflissen erhebt sich dieser und eilt zur Tür hinaus. Im selben Moment erscheint der Rotgesichtige, den der Graf mit Jean angesprochen hat, bringt drei Teller und das dazugehörige Silberbesteck. Ungeschickt versucht er, die Sachen nach dem Muster der bereits aufgestellten Gedecke vor Ben, dessen Mutter und Djamila anzuordnen. Als er es endlich geschafft hat, setzt er sich mit einem zufriedenen Schnaufen.
„Danke, Jean. Es ist mir immer wieder eine Freude, zu erleben, dass auf meine Männer Verlass ist.“
Wolfenhagen reckt sich genüsslich und schnipst mit den Fingern. Nach einer Weile dreht er sich erstaunt zu Gregor um. „Das war dein Zeichen, Gregor, warum spielst du nicht?“
Gregor blickt dem Kreuzfahrer trotzig in die Augen, seine Hände umkrampfen die Flöte vor der Brust. Ben ahnt, was in seinem Freund vorgeht. Er hält das makabere Spiel nicht mehr aus, will, dass es endlich zu Ende geht.
Der Rotgesichtige springt auf. Mit einer kleinen Handbewegung hält ihn Wolfenhagen zurück. In seinem Gesicht arbeitet es.
Angespannte Stille.
Ben spürt: Jeden Augenblick kann die Situation kippen.
„Spiel, Gregor“, sagt er in die Stille hinein.
Sein Freund blickt ihn erstaunt an.
„Bitte, tu es für uns.“
Langsam hebt der abgemagerte Kleine die Flöte zum Mund, spielt eine Melodie, leise, wehmütig.
Wolfenhagen entspannt sich, wendet sich schließlich Ben zu. „Danke, junger Freund. Aber sag, warum hast du Angst vor uns? Ich spüre es die ganze Zeit.“
„Ihr seid …“ Ben stockt. Soll er verraten, was er von ihnen weiß? Seine Eltern wären dann gewarnt. Aber vielleicht gilt ihr Appetit heute etwas anderem und er würde sie mit einer falschen Bemerkung nur auf dumme Gedanken bringen.
„Nun, was sind wir?“, fragt der Graf und schaut ihn spöttisch an.
„Mörder!“, stößt Ben hervor.
Er sieht, wie seine Mutter zusammenzuckt.
Der Edle lacht, legt seinen Arm um Djamila und fragt sie: „Ist er nicht goldig, der Junge?“
Dem Mädchen ist die Berührung sichtlich unangenehm, doch Wolfenhagen stört das nicht. Launig wendet er sich an Ben: „Offen gesagt: Ich kann dich verstehen, Junge. Du bist durch die Stadt gestromert, hast gesehen, was sich dort draußen abspielt. Hässliche Szenen, von denen deine Eltern in diesem behüteten Hause keine Vorstellung haben. Dieser ungebildete Mob schlachtet ganz Jerusalem ab. Es ist in der Tat schockierend. Keiner hat diese Leute im Griff. Sie machen, was sie wollen. Tja, Herr Hakim“, wendet er sich redselig an Bens Vater, „ich kann Ihnen den Grund für dieses Trauerspiel sagen. Es mangelt ihnen an Führung. Ja, ohne starke Führung geht alles vor die Hunde.“
Er hebt bedauernd seine Hände, wirft einen tadelnden Blick auf den rotgesichtigen Jean, der sofort die Hand zurückzieht, mit der er einen goldenen Leuchter gestreichelt hat. Pepe erscheint wieder, macht ein Zeichen, dass er seinen Auftrag ausgeführt hat. Der Graf nickt zufrieden.
„Keiner meiner Männer wird es nun wagen, Ihrer Djamila auch nur ein Haar zu krümmen. Sie sehen, Herr Hakim, ich für meinen Teil habe meine Leute unter Kontrolle. Mein Wort ist Gesetz. Und Sie fahren nicht schlecht dabei, nicht wahr?“
Er beugt sich zur Seite, langt hinüber zum anderen Diwan und tätschelt den fetten Bauch von
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