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Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Titel: Katherine Neville - Das Montglane-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malaxis
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der Nase herumführten. Vermutlich gehörte das auch zu den Manifestationen arabischer Verhandlungsmethoden. Aber wie sollte ich erreichen, daß der Vertrag unterschrieben wurde, wenn es sechs Partnern nicht gelungen war? Denn das war nun eine meiner ersten Aufgaben.
Seufzend stand ich auf und ging mit dem Bierglas in der Hand auf die Terrasse hinaus. Ich warf einen Bück über die Parkanlage zwischen Hotel und Strand. Wie der Kellner gesagt hatte, war es ein Irrgarten. Weiße Kiespfade wanden sich durch exotische Kakteen, Sträucher, Sukkulenten, tropische Büsche und Wüstenpflanzen.
Am anderen Ende, nahe am Strand, befand sich eine Marmorterrasse mit einem riesigen Swimmingpool. Das von Unterwasserscheinwerfern beleuchtete Wasser glänzte wie ein märchenhafter Türkis. Zwischen Pool und Strand stand eine gewundene weiße Mauer mit seltsam geformten Bogenöffnungen, hinter denen man Ausschnitte des weißen Sandstrands und den weißen Schaum der klatschenden Wellen sah. Am Ende der Mauer erhob sich ein hoher, gemauerter Turm mit einer Zwiebelkuppel - wie die Türme, von denen der Muezzin die Gläubigen zum Gebet ruft.
Mein Blick wanderte wieder zum Garten zurück - und da sah ich es! Es war nur ein Aufblitzen im Licht des Pools: die Speichen eines Fahrrads, das sofort hinter dunklen Büschen verschwand.
Ich stand oben auf der Treppe und erstarrte. Meine Augen glitten über den Garten, den Swimmingpool und den Strand dahinter, und ich lauschte angestrengt. Aber ich sah und hörte nichts. Plötzlich berührte mich jemand am Arm. Ich erschrak zu Tode.
„Entschuldigen Sie, Madame“, sagte mein Kellner und sah mich merkwürdig an. „Der Empfangschef läßt Ihnen mitteilen, daß heute nachmittag Post für Sie eingetroffen ist. Er hat es Ihnen versehentlich nicht gesagt.“ Er reichte mir eine Zeitung mit einem braunen Streifband und einen Umschlag, der ein Telegramm zu enthalten schien. „Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Abend“, sagte der Kellner und verschwand.
Ich ließ den Blick noch einmal über den Garten schweifen. Vielleicht hatte ich mich doch getäuscht. Außerdem gab es bestimmt auch in Algerien Leute, die mit dem Fahrrad fuhren.
Ich ging mit der Post und dem Bier zu meinem Platz zurück. Ich öffnete das Telegramm: „Lesen Sie Ihre Zeitung. Abschnitt GE“ Keine Unterschrift. Aber als ich die Zeitung aus dem Streifband zog, ahnte ich bereits, wer der Absender war. Es handelte sich um die Sonntagsausgabe der New York Times. Wie konnte sie mir so schnell nachgeschickt worden sein?
Ich blätterte zum Abschnitt G5, der Sportseite, und fand einen Artikel über das Schachturnier:
    SCHACHTURNIER ABGESAGT
     
    GM-SELBSTMORD WIRD ANGEZWEIFELT
    Der Selbstmord von Großmeister Antony Fiske in der letzten Woche, der in New Yorker Schachkreisen Verwunderung erregte, hat nun zu einer Untersuchung durch die New Yorker Mordkommission geführt. Aus einer heute veröffentlichten Erklärung der gerichtsmedizinischen Untersuchungskommission geht hervor, daß der 67jährige englische GM sich unmöglich selbst das Leben genommen haben kann. Todesursache war ein „gebrochener Halswirbel infolge eines Drucks, der gleichzeitig auf die Vertebra prominens (C7) und unter dem Kinn ausgeübt wurde“. Es ist unmöglich, einen solchen Bruch selbst herbeizuführen, denn man müßte dazu „hinter seinem eigenen Rücken stehen und sich den Hals brechen“, wie der Turnierarzt Dr. Osgood erklärte, der als erster Fiske untersucht und den Selbstmord angezweifelt hat.
    Dem russischen GM Alexander Solarin, der gegen Fiske spielte, fiel auf, daß sich sein Gegner „seltsam verhielt“. Die sowjetische Botschaft hat für ihren GM diplomatische Immunität beantragt; dieser lehnte jedoch ab und erregte damit nicht zum ersten Mal großes Aufsehen (siehe auch Leitartikel, Seite A6). Solarin hat Fiske als letzter lebend gesehen und eine Aussage vor der Polizei gemacht. Der Turnierveranstalter John Hermanold hat in einer Presseerklärung seine Entscheidung erläutert, das Turnier abzusagen. Er behauptete heute, GM Fiske sei seit langem drogenabhängig gewesen, und erklärte, Informanten aus der Drogenszene könnten möglicherweise Hinweise auf den unerklärlichen Mord geben.
    Um die Untersuchung zu erleichtern, haben die Turnierveranstalter der Polizei die Namen und Adressen der 63 Personen - darunter auch die der Richter und Spieler - übergeben, die an der geschlossenen Veranstaltung am Sonntag im Metropolitan Club teilgenommen

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