Katherine Neville - Das Montglane-Spiel
mich an den Schultern und schüttelte mich wütend. Er blickte zum Mond hinauf, holte tief Luft und zählte zweifellos bis zehn.
„Hören Sie zu“, sagte er etwas ruhiger. „Und wenn ich Ihnen sage, daß Saul Fiske umgebracht hat? Ich bin der einzige, der das weiß. Deshalb hat Saul mich verfolgt. Hören Sie mir jetzt zu?“
Seine Augen richteten sich fragend auf mich. Aber ich konnte keinen Gedanken fassen. Ich war völlig durcheinander. Saul ein Mörder? Ich schloß die Augen und versuchte zu denken, aber ohne Erfolg.
„Also gut, reden Sie“, lenkte ich ein. Solarin lächelte mich an, und wieder einmal mußte ich mir widerwillig eingestehen, daß mich seine Augen faszinierten.
„Dann müssen wir weitergehen“, sagte er, ließ aber eine Hand auf meiner Schulter hegen. „Ich kann weder denken noch sprechen oder Schach spielen, wenn ich mich nicht bewege.“ Wir schwiegen eine Weile, während er sich offenbar konzentrierte.
„Ich glaube, es ist besser, ich fange von vorne an“, begann Solarin schließlich. Ich nickte nur.
„Erstens müssen Sie wissen, daß ich an dem Schachturnier, auf dem Sie mich gesehen haben, kein Interesse hatte. Es diente als eine Art Tarnung, die sich meine Regierung ausgedacht hatte, damit ich nach New York kommen konnte, weil ich dort dringende Geschäfte zu erledigen hatte.“
„Was für Geschäfte?“ fragte ich.
„Darüber sprechen wir später.“ Solarin bückte sich plötzlich und hob eine kleine dunkle Muschel auf, die halb im Sand vergraben lag.
„Überall gibt es Leben“, sagte er nachdenklich und reichte mir die Muschel. „Auch auf dem Meeresgrund. Überall vernichtet der Mensch das Leben durch seine Dummheit.“
„Diese Muschel ist nicht gestorben, weil man ihr das Genick gebrochen hat“, bemerkte ich. „Sind Sie eine Art professioneller Killer? Wie können Sie mit einem Menschen fünf Minuten in einem Raum sein und ihn umlegen?“ Ich warf die Muschel in hohem Bogen ins Meer zurück.
„Als ich bei dem Spiel bemerkte, daß Fiske betrog“, erzählte er mit etwas angespannter Stimme, „wollte ich wissen, wer ihn dazu gebracht hatte und warum.“
Also hatte Lily in diesem Punkt recht gehabt, dachte ich. Aber ich schwieg.
„Ich vermutete, daß andere dahinterstanden. Deshalb unterbrach ich das Spiel und folgte ihm in die Toilette. Er gestand den Betrug und noch mehr. Er sagte mir, wer ihn dazu gezwungen hatte und warum.“
„Wer ist es?“
„Er hat es nur ungefähr gesagt, denn er wußte es selbst nicht genau. Aber er berichtete, daß die Männer, die ihn erpreßt hatten, wußten, daß ich auf dem Turnier spielen würde. Und das konnte nur ein einziger Mann wissen, nämlich der Mann, mit dem meine Regierung verhandelt hatte. Der Turnier Veranstalter...“
„Hermanold!“ rief ich.
Solarin nickte und fuhr fort: „Fiske erzählte mir, daß Hermanold oder seine Hintermänner eine Formel wollten. Ich hatte im Spaß bei einem Spiel in Spanien um eine Formel gewettet und erklärt, jeder, der mich schlage, werde von mir eine geheime Formel bekommen - und diese Idioten dachten, das Angebot gelte immer noch. Sie beschlossen, Fiske gegen mich aufzustellen und dafür zu sorgen, daß er nicht verlieren konnte. Ich vermute, Hermanold hatte mit Fiske die Herrentoilette im Kanadischen Club als Treffpunkt ausgemacht, wenn etwas nicht wie geplant verlief, weil sie dort niemand zusammen sehen würde...“
„Aber Hermanold hatte nicht vor, sich mit Fiske dort zu treffen ...“, murmelte ich. Langsam ordnete sich das Puzzle, aber das ganze Bild sah ich immer noch nicht. „Sie wollen sagen, Hermanold hatte dafür gesorgt, daß ein anderer sich dort mit Fiske treffen würde - jemand, dessen An- oder Abwesenheit beim Spiel niemandem auffiel.“
„Richtig“, bestätigte Solarin. „Allerdings rechneten sie nicht damit, daß ich Fiske dorthin folgen würde. Ich war ihm dicht auf den Fersen, als er in der Herrentoilette verschwand. Sein Mörder wartete draußen im Gang und muß jedes Wort unseres Gesprächs gehört haben. Es war zu spät, um Fiske nur zu drohen. Die Sache war geplatzt. Fiske mußte sofort ausgeschaltet werden.“
„Eine äußerst brutale Lösung“, bemerkte ich, blickte auf die dunklen Wellen und dachte darüber nach. Es war möglich - zumindest strategisch. Und ich wußte inzwischen ein paar Dinge, von denen Solarin nichts ahnte. Hermanold hatte zum Beispiel nicht mit Lilys Erscheinen gerechnet. Aber als Lily und ich im Club auftauchten, bestand er darauf, daß
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