Katherine Neville - Das Montglane-Spiel
amerikanisch, die übrigen drei britisch, holländisch und französisch. Vor fünfzig Jahren hatten sich ein paar dieser Ölhändler bei einer Moorhuhnjagd in Schottland geeinigt, die Ölvorkommen der Welt aufzuteilen und sich nicht gegenseitig in die Quere zu kommen. Einige Monate später trafen sie sich in Ostende mit einem Mann namens Calouste Gulbenkian, der mit einem Rotstift in der Tasche zu dieser Konferenz erschien. Mit diesem Rotstift zog er - die dünne rote Linie“, wie man sie später nannte, um den Teil der Welt, der das osmanische Reich umfaßte, heute der Irak und die Türkei, und außerdem um ein ordentliches Stück vom Persischen Golf. Die Herren teilten das Gebiet unter sich auf und bohrten ein Loch. In Barirain schoß das Öl hervor, und das Rennen begann.
Das Gesetz von Angebot und Nachfrage ist mehr als zweifelhaft, wenn man der weltgrößte Abnehmer eines Produkts ist und wenn man zudem das Angebot unter Kontrolle hat. Gemäß den Statistiken, die ich mir ansah, war Amerika seit langem der größte Rohölkonsument. Und die amerikanischen Ölgesellschaften, die in der Überzahl sind, bestimmten die Fördermengen. Sie gingen nach einer sehr einfachen Methode vor. Sie verpflichteten sich vertraglich, für einen ordentlichen eigenen Anteil, Rohöl zu fördern (oder zu erschließen); sie übernahmen den Transport und den Vertrieb und erhielten dafür noch einmal einen entsprechenden Anteil.
Ich saß allein vor einem Stapel Bücher, die ich mir aus der Bibliothek der PanAm geholt hatte - nur diese Bibliothek in New York war mir die ganze Silvesternacht zugänglich -, und starrte auf die Schneeflocken, die vor den Fenstern durcheinanderwirbelten.
Ein Gedanke, der mich nicht mehr losließ, sollte in den kommenden Monaten bessere Köpfe als meinen beschäftigen. Dieser Gedanke sollte Staatsmännern den Schlaf rauben und die Führungsspitzen der Ölgesellschaften noch reicher machen. Dieser Gedanke sollte Kriege, Blutvergießen, Wirtschaftskrisen heraufbeschwören und die Großmächte an den Rand eines dritten Weltkriegs bringen. Aber an diesem Silvesterabend fand ich diesen Gedanken eigentlich nicht besonders revolutionär.
Es handelte sich im Grunde um eine einfache Frage: Was würde geschehen, wenn nicht wir die Förderung des Rohöls kontrollierten? Die Antwort auf diese Frage, die in ihrer Schlichtheit so überzeugend und aufschlußreich war, sollte zwölf Monate später dem Rest der Welt als Menetekel an der Wand erscheinen.
Ein Telefon klingelte. Ich hob den Kopf von der Schreibtischplatte und sah mich um. Es dauerte eine Weile, bis ich mich daran erinnerte, daß ich im Pan-Am-Rechenzentrum saß. Es war immer noch Silvester. Die Uhr an der Wand am anderen Ende zeigte Viertel nach elf. Es schneite immer noch. Ich war eingenickt und hatte über eine Stunde geschlafen. Ich griff gähnend zum Telefon.
„PanAm Nachtschicht“, sagte ich.
„Also doch“, flötete eine Stimme mit dem unüberhörbaren englischen Akzent der Oberklasse. „Ich hab dir ja gesagt, sie arbeitet! Sie arbeitet immer“, erklärte die Stimme jemandem am anderen Ende der Leitung. Dann fuhr sie fort: „Kat, Kleines, du hast dich verspätet! Wir warten alle auf dich. Es ist schon elf Uhr vorbei. Hast du vergessen, daß heute Silvester ist?“
„Llewellyn“, erwiderte ich und streckte die schmerzenden Arme und Beine, um das Kribbeln loszuwerden. „Ich kann wirklich nicht kommen. Ich muß noch arbeiten. Ich weiß, ich habe es versprochen, aber ...“
„Kein Aber, Kleines. An Silvester müssen wir alle erfahren, was das Schicksal für uns bereithält. Wir haben uns die Zukunft schon voraussagen lassen, und es war wirklich komisch. Jetzt bist du an der Reihe. Harry steht neben mir und gibt keine Ruhe. Er möchte unbedingt mit dir sprechen.“
Ich stöhnte und hielt mir die Ohren zu.
„Kleines!“ dröhnte Harrys tiefer Bariton, und ich zuckte wie immer zusammen. Harry hatte zu meinen Kunden gehört, als ich noch für Triple-M arbeitete, und wir waren gute Freunde geblieben. Er nahm mich in seine Familie auf und lud mich zu allen möglichen Anlässen ein. Harry hoffte, ich würde mich mit seiner entsetzlichen Tochter Lily anfreunden, die ungefähr in meinem Alter war. Da hatte er sich aber geirrt!
„Kleines“, „ sagte Harry, „ich hoffe, du verzeihst mir, aber ich habe Saul bereits mit dem Wagen geschickt. Er wird dich abholen.“
„Das hättest du nicht tun sollen, Harry“, sagte ich. „Warum hast du mich nicht
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