Katherine Neville - Das Montglane-Spiel
finden, aber Kamel hatte mich ja vor den ungenauen algerischen Karten gewarnt.
„Ein Antiquitätenhändler?“ fragte Kamel. „Es gibt nicht viele. Alles Wertvolle ist seit langem in den Museen. Wie heißt das Geschäft?“
„Das weiß ich nicht. Das Dorf heißt Aïn Kaabah“, sagte ich, „Llewellyn meinte, es sei das einzige Antiquitätengeschäft.“
„Merkwürdig", sagte Kamel, „ich stamme aus Aïn Kaabah. Es ist ein winziges Dorf weitab von allen Straßen, aber dort gibt es kein Antiquitätengeschäft - das weiß ich ganz genau.“
Ich zog mein Adreßbuch aus der Umhängetasche und blätterte darin, bis ich Llewellyns hastig notierte Angaben fand.
„Ich habe auch keinen Straßennamen, aber das Geschäft soll im nördlichen Teil liegen. Offenbar ist es auf alte Teppiche spezialisiert. Der Besitzer heißt El-Marad.“ Ich wußte nicht, ob es Einbildung war oder nicht, aber ich glaubte zu sehen, wie Kamel bleich wurde. Er biß die Zähne zusammen, und seine Stimme klang gepreßt, als er sagte:
„El-Marad... den kenne ich. Er ist einer der größten Händler in dieser Gegend, die für ihre Teppiche berühmt ist. Wollen Sie einen Teppich kaufen?“
„Eigentlich nicht“, erwiderte ich vorsichtig. Denn Kamel wußte offenbar mehr, als er mir sagte. „Mein Freund in New York meinte, ich solle nur einmal vorbeigehen und mich mit dem Mann unterhalten. Das muß auch nicht heute sein, wenn es zu umständlich ist.“
Kamel schwieg einige Minuten. Er schien nachzudenken, dann sagte er: „Also gut, wir fahren dorthin, denn ohne mich werden Sie es nie finden.“
Wir erreichten das Ende des Tals, und Kamel hielt den Bück starr nach vorn gerichtet, als er die Bergstraße hinauffuhr. Aber er wirkte plötzlich grimmig, und ich beschloß, den Mund zu halten, um ihn nicht noch mehr zu reizen.
Um zwei Uhr erreichten wir Beni Jenni. Mein Magen knurrte laut, denn ich hatte schrecklichen Hunger. Das winzige Gasthaus auf dem Berggipfel war alles andere als elegant. Aber dunkle italienische Zypressen vor den gelblich braunen Mauern und die roten Ziegeldächer boten ein romantisches Bild.
Wir aßen auf einer kleinen Terrasse mit einem weißen Geländer direkt über der Felswand. Adler schwebten über dem Tal. In ihren Flügeln fingen sich goldglänzende Sonnenstrahlen, während sie durch den feinen blauen Dunst glitten, der aus dem Ouled Aissi aufstieg. Um uns herum breitete sich das steile, gefährliche Land aus. Enge Straßen wanden sich wie schmale Bänder an den Hängen hinauf und hinunter. Dörfer klebten kühn und wie alte rötliche Gesteinsbrocken an den Spitzen jedes höheren Gipfels. Es war zwar bereits Juni, doch die Luft war so kühl, daß ich meinen Pullover nicht als zu warm empfand. Über das Tal hinweg sah ich das verschneite Dschurdschura-Massiv; die dicht darüber hängenden Wolken verhießen nichts Gutes - und in diese Richtung würden wir fahren...
Wir saßen ganz allein in der kalten Luft auf der Terrasse, tranken bitteres rotes birrh mit Zitrone und Eiswürfeln und - schwiegen. Es gab eine heiße Gemüsesuppe, knuspriges Weißbrot und kaltes Huhn mit Mayonnaise. Kamel schien tief in Gedanken versunken.
Ehe wir weiterfuhren, holte er aus dem Kofferraum dicke wollene Reisedecken. Offenbar machte auch er sich Gedanken über das Wetter. Die Straße wurde sofort schmal und sah gefährlich aus. Ich konnte nicht ahnen, daß dies nichts war im Vergleich zu dem, was uns bevorstand!
Von Beni jenni bis Tikjda dauerte die Fahrt nur eine Stunde, aber es kam mir wie eine Ewigkeit vor. Zuerst kurvten wir in das Tal hinunter, überquerten einen kleinen Fluß, und dann ging es wieder hinauf zu einem, wie es aussah, niedrigen, langgestreckten Bergrücken. Aber je höher wir kamen, desto steiler wurde der Berg. Der Citroen kochte, als wir oben angekommen waren. Ich blickte hinunter - in einen sechshundert Meter tiefen Abgrund. Unsere Straße - oder das, was von ihr noch zu sehen war - zog sich als eisbedeckter Kiesweg auf dem Grat des Höhenzugs entlang und schien jeden Augenblick im Nichts zu verschwinden. Zu allem Überfluß wand und kurvte sich die schmale, in den Felsen gehauene Fahrspur danach wie Spaghetti auf der Gabel mit fünfzehn Prozent Gefälle die Steilwand hinunter - bis nach Tikjda.
Kamel lenkte den großen, flachen Citroen auf diese unbefestigte Achterbahn; ich schloß die Augen und fing an zu beten. Als ich die Augen wieder aufschlug, rutschten wir gerade um eine Kurve. Die Straße schien mit nichts mehr eine
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