Katherine Neville - Das Montglane-Spiel
Seine Stimme klang heller als erwartet und sanft - fast wie ein Flüstern.
„Ich bin El-Marad“, sagte er, „jeder Freund von Kamel Kader ist in meinem Haus willkommen.“ Er setzte sich mit gekreuzten Beinen mir gegenüber auf ein Sitzkissen. Mir fiel keinerlei Spannung zwischen den beiden Männern auf, die sich immerhin mehrere Jahre nicht gesehen oder gesprochen hatten. El-Marad ordnete das Gewand und sah mich neugierig an.
„Ich stelle Mademoiselle Katherine Velis vor“, sagte Kamel förmlich. „Sie kommt aus Amerika, um für die OPEC zu arbeiten.“
„OPEC“, wiederholte El-Marad und nickte mir zu. „Glücklicherweise gibt es hier in den Bergen keine Ölvorkommen, sonst müßten auch wir unser Leben ändern. Ich hoffe, Sie werden sich in unserem Land wohl fühlen. Möge sich für uns alle - wenn Allah es so will durch Ihre Arbeit der Wohlstand mehren.“
Er hob die Hand, und die Mutter kam mit dem Mädchen herein. Sie reichte ihrem Mann die kleine Schachfigur, und er hielt sie mir hin.
„Wie ich höre, haben Sie meiner Tochter ein Geschenk gemacht“, sagte er zu mir. „Das bringt mich in Ihre Schuld. Bitte wählen Sie einen Teppich, der Ihnen gefällt.“ Er machte wieder eine Handbewegung, Mutter und Kind verschwanden so stumm, wie sie gekommen waren.
„Aber ich bitte Sie“, sagte ich, „es ist nur ein Figürchen aus Plastik.“ Er betrachtete es und schien meine Worte nicht zu hören. Dann hob er den Kopf, und seine Adleraugen unter den buschigen Brauen durchbohrten mich.
„Die weiße Dame!“ flüsterte er und warf schnell einen Blick auf Kamel. „Wer schickt Sie?“ fragte er. „Und warum haben Sie ihn mitgebracht?“
Auf diese Frage war ich nicht vorbereitet, und ich sah Kamel hilfesuchend an. Aber dann verstand ich. Er wußte, weshalb ich hier war - vielleicht war die Schachfigur für ihn eine Art Hinweis darauf, daß ich von Llewellyn kam. Wenn das so war, dann hatte ich unbewußt ins Schwarze getroffen.
„Ein Freund von mir, ein Antiquitätenhändler aus New York, hat mich gebeten, Sie zu besuchen. Kamel war so freundlich, mich herzubringen...“
El-Marad schwieg einen Augenblick, aber sein Blick lag noch immer prüfend auf mir. Er spielte mit dem Figürchen in der Hand, als sei es die Perle einer Gebetskette. Schließlich sagte er zu Kamel ein paar Worte auf arabisch. Kamel nickte und stand auf.
„Ich glaube, ich gehe etwas an die frische Luft. Mir scheint, El-Marad mochte mit Ihnen unter vier Augen sprechen.“ Er lächelte mich an und gab mir so zu verstehen, daß er sich nicht über die Unhöflichkeit des alten Mannes ärgerte. Zu El-Marad sagte er: „Aber Katherine ist dachilak ...“
„Unmöglich!“ rief El-Marad und stand ebenfalls auf. „Sie ist eine Frau!“
„Was bedeutet das?“ fragte ich, aber Kamel war schon gegangen, und ich war mit dem Teppichhändler allein.
„Er sagt, Sie stehen unter seinem Schutz“, erklärte El-Marad und kam zu mir zurück, als er sich vergewissert hatte, daß Kamel hinausgegangen war. „Eine Sitte der Beduinen. Ein Mann, der verfolgt wird, kann in der Wüste einen anderen um Hilfe bitten. Er muß ihn schützen, auch wenn er nicht zu seinem Stamm gehört. Es geschieht selten und nur auf Verlangen - und nie für eine Frau.“
„Vielleicht dachte Kamel, er müsse besondere Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, wenn er mich mit Ihnen allein läßt“, sagte ich.
El-Marad sah mich verblüfft an. „Sie müssen sehr mutig sein, wenn Sie in einem solchen Augenblick spaßen“, sagte er langsam und musterte mich abschätzend. „Hat er Ihnen nicht gesagt, daß ich ihn wie meinen eigenen Sohn habe erziehen lassen?“ Er blieb plötzlich stehen und sah mich durchdringend an. „Wir sind nahnu malihin - wir teilen das Salz. Wenn man in der Wüste mit jemandem das Salz teilt, ist das mehr wert als Gold.“
„Sie sind also Beduine?“ fragte ich. „Sie kennen die Gesetze und Gebräuche der Wüste, und Sie lachen nie. Ich frage mich, ob Llewellyn Markham das weiß? Ich werde ihm schreiben und ihn wissen lassen, daß Beduinen nicht so höflich sind wie Berber.“
Als ich Llewellyns Namen aussprach, wurde El-Marad blaß. "Sie kommen also von ihm“, sagte er, „warum sind Sie nicht allein hier?“
Ich seufzte und blickte auf die Schachfigur in seiner Hand. „Warum sagen Sie mir nicht, wo sie sind?“ erwiderte ich. „Sie wissen, warum ich gekommen bin.“
„Also gut“, sagte er, setzte sich, goß Kaffee in eine der kleinen Tassen und trank einen
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