Katherine Neville - Das Montglane-Spiel
dem Esel“, fügte er hinzu. Kamel nahm das Angebot erfreut an. El-Marad begleitete uns auf die Straße hinaus, wo der Junge kurz darauf mit einem Karren erschien.
„Al-safar zafar!“ rief El-Marad und winkte uns nach.
„Ein altes arabisches Sprichwort“, erklärte Kamel. „Es bedeutet: ‘Reisen bedeutet siegen.’ Er wünscht Ihnen alles Gute.“
„Er ist gar kein so alter Griesgram, wie ich zuerst dachte“, sagte ich. „Aber ich traue ihm nicht.“
Kamel lachte. Er wirkte jetzt sehr viel gelöster. „Sie spielen das Spiel gut“, sagte er.
Mir blieb das Herz stehen, aber ich ging weiter durch die Dunkelheit. Ich war froh, daß er mein Gesicht nicht sehen konnte. „Was meinen Sie damit?“ fragte ich.
„Ich meine, Sie haben von dem gerissensten Teppichhändler in Algerien zwei Teppiche umsonst bekommen. Wenn das bekannt wird, ist sein Ruf ruiniert.“
Wir gingen schweigend weiter und hörten nur das Quietschen des Eselkarrens vor uns.
„Ich glaube, wir sollten für die Nacht das Gästehaus für Regierungsbeamte in Bouirain Anspruch nehmen“, schlug Kamel vor. „Es hegt etwa fünfzehn Kilometer von hier. Die Zimmer werden Ihnen bestimmt gefallen, und wir können morgen von dort nach Algier zurückfahren. Oder möchten Sie lieber heute nacht noch einmal durch die Berge fahren?“
„Nicht um alles in der Welt“, antwortete ich schnell. Außerdem hatten die Zimmer möglicherweise heißes Wasser zum Baden und andere Bequemlichkeiten, auf die ich in letzter Zeit hatte verzichten müssen. Das El-Riadh war zwar ein hübsches Hotel, aber der Charme war nach zwei Monaten täglichen Badens in kalter, rostiger Brühe doch sehr geschwunden.
Nachdem Kamel und ich mit den Teppichen wieder im Citroen saßen und auf der befestigten Straße nach Bouira rollten, zog ich mein kleines arabisches Wörterbuch hervor und schlug zwei Worte nach, die mir nicht aus dem Kopf gingen.
Wie ich sofort vermutet hatte, war Mochfi Mochtar kein Name. Es bedeutete: verborgen erwählt - die geheime Erwählte.
Am Montag morgen nach unserer Fahrt in die Kabylei brach die Hölle los. Es begann damit, daß Kamel schon beim Abschied am Abend zuvor in meinem Hotel eine Bombe platzen ließ: Eine OPEC-Konferenz schien bevorzustehen, auf der er die „Ergebnisse“ meiner Computerstudie bekanntgeben wollte - und diese Studie gab es noch gar nicht! Therese hatte zwar inzwischen mehr als dreißig Bänder mit Daten über die Monatsproduktion der einzelnen Staaten, aber ich mußte sie noch formatieren und meine eigenen Daten ergänzen, um Prognosen zu Produktion, Verbrauch und Marktanteilen zu erhalten - und das alles noch vor Konferenzbeginn!
Andererseits wußte man bei der OPEC nie, was „bald“ bedeutete. Zeitpunkt und Ort jeder Konferenz unterlagen bis zur allerletzten Minute strengster Geheimhaltung - man ging davon aus, daß diese Art Planung die Terminkalender von Terroristen mehr durcheinanderbringen würde als die der OPEC-Minister. In manchen Kreisen wurde zur Jagd auf die OPEC geblasen, und in den letzten Monaten hatte man bereits mehrere Minister umgebracht. Es war ein Beweis für die Wichtigkeit meiner Studie, daß Kamel über die bevorstehende Konferenz eine Andeutung gemacht hatte.
Zu der großen Arbeitsbelastung kam, daß mich an meinem Arbeitsplatz im SonatrachDatenzentrum hoch oben auf dem Haupthügel von Algier eine Nachricht in einem offiziellen Umschlag erwartete. Sie stammte vom Wohnungsbauministerium, sie hatten endlich eine Wohnung für mich. Ich konnte noch heute einziehen, das heißt, ich mußte noch heute einziehen, sonst würde sie ein anderer in Beschlag nehmen. Wohnungen waren Mangelware in Algier - ich wartete bereits zwei Monate. Ich mußte also wie der Blitz zurück zum Hotel, packen und alles in die Wohnung bringen. Wie sollte ich bei alldem noch Mochfi Mochtar in der Kasbah suchen?
In Algerien ist von sieben Uhr morgens bis sieben Uhr abends Geschäftszeit. Aber während der drei Stunden Mittagspause ist alles geschlossen. Ich beschloß, diese Zeit zu nutzen, um einen ersten Versuch zu wagen.
Wie in allen arabischen Städten ist die Kasbah das älteste Viertel, das früher zum Schutz der Bevölkerung befestigt war. Die Kasbah von Algier ist ein labyrinthähnliches Gewirr enger, gepflasterter Gassen und uralter, halb zerfallen er Häuser, die sich den steilsten Hügel hinaufziehen. Das ganze Gebiet umfaßt zwar nur etwa zweieinhalbtausend Quadratmeter, aber hier finden sich auf engstem Raum zahllose
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