Katherine Neville - Das Montglane-Spiel
antreten konnte.
„Mademoiselle Velis!“ rief er mit seinem Filmstarlächeln. „Sie kommen gerade im richtigen Moment, um uns bei einer kleinen Nachforschung behilflich zu sein. Ist Ihnen beim Hereinkommen vielleicht der Wagen eines Ihrer Landsleute aufgefallen?“
„Merkwürdig - ich dachte, es sei ein englischer Wagen“, erwiderte ich gleichgültig und nahm meinen Zimmerschlüssel entgegen.
„Mit einem New Yorker Nummernschild!“ rief Scharrif mit erhobenen Augenbrauen.
„New York ist groß...“, sagte ich über die Schulter und wollte auf mein Zimmer gehen, aber Scharrif ließ nicht locker.
„Als der Zoll den Wagen heute nachmittag abfertigte, wurden die Papiere auf Ihren Namen und die Adresse hier ausgestellt. Können Sie mir das vielleicht erklären?“
Mein Gott! Ich würde Lily umbringen, wenn ich sie fand. Vermutlich hatte sie sich mit einem Trinkgeld bereits den Weg in mein Zimmer erkauft.
„Toll!“ rief ich übertrieben glücklich. „Ein Geschenk von einem anonymen New Yorker. Ich brauche ein Fahrzeug - und Leihwagen sind kaum zu haben. Warum nicht ein Rolls-Royce?“ Damit verschwand ich in Richtung Garten, aber Scharrif blieb mir auf den Fersen.
„Interpol überprüft das Kennzeichen für uns“, erklärte er, als er mich eingeholt hatte. „Ich kann nicht glauben, daß der Besitzer den Zoll bar bezahlt - immerhin hundert Prozent vom Kaufwert des Wagens - und ihn dann jemandem überläßt, den er nicht kennt! Außer Ihnen wohnen keine Amerikaner in diesem Hotel...“
„Und ich auch nicht mehr“, sagte ich und betrat den Kiesweg im Garten, „ich verlasse das Hotel in einer halben Stunde und ziehe nach Sidi-Fredsch, wie Ihre dschawasis Ihnen natürlich schon berichtet haben werden.“ Dschawasis sind die Spitzel der Geheimpolizei. Mein Vorwurf entging Scharrif nicht. Er kniff die Augen zusammen und faßte mich am Arm. Ich blieb abrupt stehen. Ich warf einen mißbilligenden Blick auf seine Hand und machte mich energisch von ihm los.
„Meine Agenten“, sagte er, auf den korrekten Begriff bedacht, „haben bereits Ihre Wohnung nach Gästen durchsucht und auch die Einreiselisten im Hafen von Algier und Oran. Wir warten noch auf die Listen der anderen Häfen. Wie Sie vermutlich wissen, haben wir Grenzen zu sieben Ländern und das Küstengebiet. Es wäre sehr viel einfacher, Sie würden uns sagen, wem dieser Wagen gehört.“
„Warum eigentlich die Aufregung?“ fragte ich und ging weiter. „Wenn der Zoll bezahlt ist und die Papiere in Ordnung sind, warum soll ich einem geschenkten Gaul ins Maul schauen? Außerdem, wieso ist es für Sie wichtig zu wissen, wem der Wagen gehört? Es besteht doch kein Einfuhrverbot in einem Land, das keine Autos produziert - oder irre ich mich?“
Er war nicht schlagfertig genug, um darauf sofort zu antworten. Er konnte kaum zugeben, daß seine dschawasis mich auf Schritt und Tritt verfolgten und ihm jedesmal meldeten, wenn ich nieste. Ich wollte es ihm schwermachen, bis ich Lily gesprochen hatte. Das alles klang schon merkwürdig. Wenn sie nicht in meinem Zimmer war und auch kein Zimmer im Hotel genommen hatte, wo war sie dann ? Meine Frage wurde postwendend beantwortet.
Am anderen Ende des Gartens befand sich der Swimmingpool mit dem malerischen Minarett und den Bögen, die Garten und Strand trennten. Von dort hörte ich nur allzu vertraute Geräusche - kleine Hundepfoten, die an einer Holztür kratzten, und das kläffende Gebell, das man nie mehr vergaß, wenn man es einmal gehört hatte.
Hinter dem Swimmingpool öffnete sich eine Tür spaltweit, und ein wild geworden er Zottelball sauste heraus. Er jagte am Pool entlang und schnurstracks auf uns zu. Selbst im hellen Tageslicht hätte man nicht sofort erkennen können, was für ein Tier Carioca war. Scharrif fiel der Unterkiefer herunter, als die Bestie ihn in Knöchelhöhe ansprang und die kleinen spitzen Zähne in das Bein unter den seidenen Socken schlug. Er stieß einen Schrei aus, hüpfte auf dem anderen Bein und versuchte, Carioca abzuschütteln. Ich packte das Wollknäuel und drückte es mit einem Arm fest an die Brust. Carioca krümmte und wand sich, aber gleichzeitig leckte er mir stürmisch das Gesicht.
„Um Himmels willen, was ist denn das?" rief Scharrif und starrte wütend auf das Angoramonster.
„Der Besitzer des Wagens“, erwiderte ich seufzend und wußte, nun half nichts mehr. „Möchten Sie die bessere Hälfte auch kennenlernen?“
Scharrif folgte mir humpelnd. Er rollte das Hosenbein
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