Katherine Neville - Das Montglane-Spiel
die Nummer.“
„Wie kann ich sie erreichen?“ schrie ich, so laut ich konnte, da die Verbindung immer schlechter wurde. Man konnte mich bestimmt im ganzen Hafen laut und deutlich hören. „Ich habe nur eine merkwürdige Adresse - Escaliers de la Pêcherie, Nr. 1, aber in der Nähe der Moschee stehen keine Häuser.“
„Nein“, rief Therese, „es gibt dort keine Nummer eins. Ist das wirklich die richtige Adresse?“
„Ich lese sie Ihnen vor“, antwortete ich, „Wahad, Escaliers de la Pêcherie.“
„Wahad!“ wiederholte sie und lachte. „Ja, das heißt Nummer eins, aber es ist keine Adresse,
sondern eine Person. Es ist der Touristenführer für die Kasbah. Kennen Sie den Blumenstand vor der Moschee? Fragen Sie den Blumeverkäufer nach ihm — für fünfzig Dinar führt er sie herum. Er heißt mit Spitznamen Wahad - er ist die „Nummer eins“, verstanden?“
Therese legte auf, noch ehe ich sie fragen konnte, wozu ich einen Touristenführer brauchte, um Minnie zu finden. In Algerien war offenbar doch vieles anders als in New York...
Ich beschloß gerade, mich am nächsten Taginder Mittagspause auf die Suche nach dem Touristenführer zu machen, als ich Hundepfoten auf dem Marmorboden im Gang hörte. Es klopfte an die Tür, und Lily stapfte herein. Sie und Carioca stürmten sofort in die Küche, aus der es verheißungsvoll nach dem Abendessen roch, das man inzwischen aus dem Restaurant hochgebracht hatte: gegrillter rouget, gedünstete Austern und Kuskus.
„Ich muß sofort etwas essen“, rief Lily mir über die Schulter zu. Als ich in die Küche trat, nahm sie bereits die Deckel von den Schüsseln und bediente sich mit den Fingern. „Wir brauchen keine Teller“, wehrte sie meine Bemühungen um ein zivilisiertes Essen ab und warf Carioca einige Happen auf den Boden, die er verschlang.
Ich seufzte und sah zu, wie Lily sich vollstopfte - das genügte, um mir den Appetit gründlich zu verderben.
„Warum hat dich Mordecai geschickt? Ich habe ihm telegrafiert, er soll dich in New York behalten...“
Lily drehte sich um und sah mich mit ihren großen grauen Augen an, ein Stück Lammfleisch aus dem Kuskus zwischen den Fingern. „Du solltest dich freuen“, teilte sie mir mit. „Wir haben in deiner Abwesenheit das ganze Geheimnis enträtselt.“
„Ach ja“, sagte ich wenig beeindruckt, öffnete eine Flasche von dem algerischen Rotwein und schenkte uns ein, während Lily fortfuhr:
„Mordecai hat versucht, diese seltenen und sehr wertvollen Schachfiguren für ein Museum zu kaufen - Llewellyn bekam Wind davon und störte die Verhandlungen. Mordecai vermutet, daß er Saul bestochen hat, um mehr über die Sache zu erfahren. Als Saul drohte, seine Doppelrolle einzugestehen, geriet Llewellyn in Panik und ließ ihn von einem professionellen Killer umlegen!“ Sie war mit dieser Erklärung offensichtlich sehr zufrieden.
„Mordecai ist entweder schlecht informiert oder versucht bewußt, dich auf eine falsche Fährte zu setzen“, erwiderte ich. "Llewellyn hat mit Sauls Tod nichts zu tun. Solarin hat es getan. Er hat es mir selbst gesagt. Solarin ist hier in Algerien.“
Lily wollte sich gerade eine Auster in den Mund stecken, ließ sie aber verblüfft in den Kuskus fallen. Sie griff nach dem Weinglas und trank gierig. „Den kannst du öfter kaufen“, murmelte sie anerkennend.
Also erzählte ich ihr die ganze Geschichte, wie ich sie mir inzwischen zusammenreimte; ich behielt nichts für mich. Ich berichtete, wie Llewellyn mich aufgefordert hatte, ihm die Figuren zu beschaffen; daß die Wahrsagerin mir in ihrer Prophezeiung eine verschlüsselte Nachricht hatte zukommen lassen; daß Mordecai mir geschrieben hatte und zugab, daß er die Wahrsagerin kannte; daß Solarin in Algier aufgetaucht war und mir berichtet hatte, daß Saul Fiske umgebracht und dann versucht habe, ihn umzubringen - und all das nur wegen der Schachfiguren. Ich erzählte ihr, daß es meines Wissens um eine Formel ging, genau wie sie vermutet hatte. Diese Formel war verschlüsselt in dem Schachspiel enthalten, nach dem sie alle suchten. Zum Abschluß berichtete ich von meinem Besuch bei dem Teppichhändler - Llewellyns Kontaktmann - und von der geheimnisvollen Mochfi Mochtar, die in der Kasbah lebte.
Lily hörte mit offenem Mund zu. „Warum hast du mir bis jetzt nichts davon gesagt?“ fragte sie fassungslos.
„Das meiste habe ich erst hier erfahren“, erwiderte ich, „und jetzt erzähle ich es dir auch nur deshalb, weil du mir vermutlich
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